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Christian Ingrao: Hitlers Elite

Hitlers Elite

von Christian Ingrao
Verlag: Econ Ullstein List Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-549-07420-6

Preis: 13,14 Euro bei Amazon.de [Stand: 19. April 2024]
Akademiker und "Leistungsträger" im dritten Reich

80 Hochschulabsolventen der verschiedensten Fachrichtungen und deren Lebenslauf und Prägungen, der sie mit Überzeugung in die Reihen der SS und hier vornehmlich des SD späterhin getragen hat und in dessen Dienst sie wesentliche "Puzzlesteine" in der Gesamtmaschinerie des dritten Reiches darstellten, bilden das "Rückrat" dieser breiten, fundierten und umfassenden Geschichtsbetrachtung Christian Ingraos.

Wobei hier im engeren Sinne keine "Mehrfachbiographie" vorliegt und die einzelnen Lebenswege auch nicht einfach nur nacherzählt werden. Ingrao hat anderes vor und drückt dies auch von Beginn an aus. Er schlägt den Bogen zurück in die Jugend und Studienjahre von Hitlers Akademiker Elite, zeigt vor allem die enge Verbindung zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Erfahrungen aus und des ersten Weltkriegs auf. Welche Erfahrungen im Aufwachsen haben diese Menschen geprägt? Welche universitären Lehrer mit ihrer zeitgeprägten Ideologie von "Raum" und "Boden" und "Rasse" und Geschichts- und Rechtsverständnis haben ihre Ideen in den (vorbereiteten) Köpfen der Studenten verankert? Welcher "Zeitgeist" hat diese durchaus intelligenten und reflektionsfähigen Menschen geprägt, um ein solches in sich logisches, von außen betrachtet aber grausames und menschenverachtendes Ideologiegerüst sich festsetzen zu lassen.

Hochinteressant ist es, zu lesen, dass nicht nur die "große Politik", sondern gerade auch die "vor Ort" oft verbundene "völkische Bewegung" mit ihren Anklängen der Romantik und ihrer Gewaltbereitschaft gegen alles "Artfremde", dem man in Deutschland nach Ende des ersten Weltkrieges sich zähneknirschend hat beugen müssen hier fast der wichtigste Nährboden für darauf aufbauende, verdrehte Argumentationsketten war.

So legt Ingrao zunächst die "Erfahrungsgeschichte" dieser stellvertretenden Biographien vor, zeigt den Weg in die SS auf, vollzieht von den ersten Überlegungen an die Entstehung des SD als umfassenden Nachrichtendienst dar und lässt den Leser nachvollziehbar Einblick nehmen in die innere sich entfaltende Gedankenwelt dieser "Elite" und ihrer Verbindungen und gegenseitigen Beeinflussungen untereinander. Und auch den Anpassungsdruck erwähnt er überzeugend, der nach und nach perfekt umgesetzt allen gegenüber durch alle gegenüber im Raume stand.

Aus diesen Prägungen heraus mit ihren Folgen leitet Ingrao im Weiteren das politische Handeln der Nationalsozialisten als "kulturelle Reaktion auf diese frühe Erfahrung" ab.

Eindrucksvoll schildert er km Anschluss die grenzüberschreitende "Umsetzung" des lange Jahre gereiften, verblendeten ideologischen Gerüstes im Rahmen des Vormarsches der deutschen Armee im Osten. Wie die perfide Logik sich in Massenmord umsetzte, wie die "hellen Köpfe" der akademischen Elite eine Vernichtungsmaschinerie sondergleichen installierte, ideologisch unterfütterte und praktisch am Laufen hielt.

Kurz erwähnt, ein durchaus sinnvoller Abschluss des Werkes, Ingrao zum Schluss den Umgang seiner Betrachtungsgruppe mit der Niederlage und die juristischen Urteile nach Ende des Krieges. Das Scheitern von Menschen, die wie Werner Brest die Niederlage im ersten Weltkrieg von früh an schlichtweg ignorierten, die es als "Träume meiner Jugend" bezeichneten, nicht "wie mein Vater als Soldat für den deutschen Sieg kämpfen zu dürfen". Und die aus dieser inneren Haltung nie herauswuchsen, die im Gegenteil durch ihr Umfeld, durch Professoren, durch Verwandten- und Freundeskreis immer klarer und stärker in diesem Gedankengeflecht sich verankerten.
Fazit
Christian Ingrao legt, trotz der manches Mal dürren Quellenlage, die ihm auferlegt, Leerstellen durch Thesen zu füllen, ein überzeugend argumentiertes und gut zu lesendes Geschichtswerk vor, in dem er breite Zusammenhänge darstellt und anhand individueller Lebenslinien die "Kultur" einer ganzen "Zwischenkriegszeit" fassbar in den Raum zu stellen vermag. Ein "kultureller Geist" verbunden mit akademischen Prägungen, die ihre ganze Kraft ihren Überzeugungen gemäß letztlich für eine "Un-Kultur" zur Verfügung stellten und der Welt dafür einen hohen Preis abverlangten. Ein wichtiges Buch trotz manchmal dürftiger Quellenlage und dadurch doch des Arbeitens mit reinen Thesen.
8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 30. Mai 2012

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