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Ian Kershaw: Das Ende

Das Ende

von Ian Kershaw
Verlag: Deutsche Verlagsanstalt [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-421-05807-2

Preis: 33,90 Euro bei Amazon.de [Stand: 26. April 2024]
Hervorragende Gesamtdarstellung der letzten beiden Kriegsjahre

Völlig zu Recht stellt Ian Kershaw in seiner differenzierten und breiten Darstellung des "Untergangs" zu Beginn jene Frage, die auch für seine Darstellung als Leitfrage gelten kann: "Eine Selbstzerstörung durch Fortsetzung des Kampfes bis zum Letzten, die zu nahezu totaler Verwüstung und vollständiger Besetzung durch den Feind führt, ist außerordentlich selten. Genauso jedoch verfuhren die Deutschen bis 1945. Warum?".

Und genauso richtig empfindet Kershaw die lapidare und dennoch fest verwachsene Antwort im Verweis auf den Beharrungwillen Hitlers, dessen Geringschätzung eines Volkes, dem der Sieg nicht gelungen ist. Auf Basis dieser Frage und der landläufig unbefriedigenden Antwort setzt sich Kershaw auf den gut 540 Seiten des Buches intensiv mit jenen Herrschaftsmechanismen auseinander, die der führenden Riege im dritten Reich fast bis zur letzten Patrone ermöglichte, das Schicksal des Landes und Volkes zu bestimmen? Treue der Deutschen im Angesicht des Unterganges? Oder ein perfides System von Loyalitäten und Terror bis zum Schluss, in dem die einen nichts mehr zu verlieren hatten und die anderen in der Breite nicht bereit oder willens oder fähig waren, Alternativen zu ergreifen.

Schon das Literaturverzeichnis des Buches zeigt dabei auf, dass Kershaw nicht bei oberflächlichen Antworten stehen geblieben ist, sondern sich intensiv in großer Breite mit den historischen Quellen und den vielfältigen Betrachtungen des Themas auseinandergesetzt hat. Zudem in dichter, teilweise fast romanhaft spannender Sprache und jederzeit den Leser mitnehmend gelingt Kershaw im Gesamten des Buches eine der fundiertesten und breitesten Darstellungen jener beiden letzten Kriegsjahre, die ausufernden Schrecken und fassbaren Wahnsinn mitten hinein in die Zivilisationsgeschichte Europas gesetzt haben.

Ein Wahnsinn, der Methode hatte. Kershaw weist überzeugend nach (und folgt damit ast einhelliger, historischer Überzeugung), dass der Krieg militärisch wie wirtschaftlich allgemein erkennbar ab Mitte 1944 allerspätestens verloren war und eine Kapitulation schon zu diesem Zeitpunkt im Rahmen eines "herkömmlichen" Kriegsverlaufes vollzogen worden wäre (und hätte müssen).

Es ist, macht Kershaw aus und weist dies fundiert nach, eine Mischung aus Psychologie, Mentalität und tatsächlich "perfektionierten" Herrschaftsmechanismen, die vor allem an den entscheidenden Schalt- und Drehstellen der Macht auf Gauleitereben und im Militärischen zu "Höchstleistungen" führte. Höchstleistungen im Sinne und im System des Terrors und des nationalsozialistischen Wahnsinns. Ein System, das auch durch Fehler der Alliierten (auch diese weist Kershaw nachvollziehbar nach) von Außen mit "zusammengeschweißt" wurde, ein System, das einmal ausgestaltet und in Gang gesetzt an sich kaum zu stoppen gewesen wäre. Fanatismus, Fatalismus, Angst und all dies gebündelt in einer Symbolfigur, unter deren Deckmantel aber eine ganze Reihe von "Würdenträgern" in blinder Ergebung oder innerer, eigener Überzeugung bis zuletzt, bis zum "Volkssturm" und der Verheizung von Kindern jede Form offenen Widerstandes oder gar Auflehnung verhinderten, die eine Wende hätten herbeiführen können. Und auch wenn "Das Volk" nachweislich (und ebenfalls bestens im Buch dargestellt) in weiten Teilen schon lange die Pfade einer "inneren Loyalität" verlassen hatte, die Angst um das eigene Leben und die perfide funktionierende Terrormaschinerie auch im Inneren des "Reiches" verhinderten Aufstände auf breiter Front.

Wenn also eines aus dem Buch von Kershaw auf jeden Fall für die Gegenwart von Bedeutung ist und zu lernen wäre, dann dies, das solchen Systemen frühzeitig Widerstand geboten werden muss, bevor die Maschinerie mitsamt handelnder Akteure sich festgesetzt hat.
Fazit
"Das Ende" ist ein schnörkellos und hervorragend lesbares Buch, das aufgrund seiner fundierten Recherche und der breiten Darstellung einen tiefen Blick in die "Maschinerie" des dritten Reiches eröffnet und jene "Mentalitäten und Mechanismen" offen legt, die zu dieser fast völligen Zerstörung führten. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne
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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 03. Februar 2012

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