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Christian Kracht: Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten

Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten

von Christian Kracht
Verlag: dtv [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-423-13892-5

Preis: 7,65 Euro bei Amazon.de [Stand: 24. April 2024]
Ganz anders

Sperrig, Fantasievoll, gewunden, vor allem aber ganz anders ist es, was und wie Christian Kracht seine Geschichte schreibt.

Im Stile der Fantastik entfaltet Kracht eine andere, antihistorische Welt. Die Schweizer Sowjetrepublik, alleine das schon ein Sujet, das eine Menge Fantasie braucht. Und nun diese Land in enger Verbindung zu ostafrikanischen Völkern zu erleben, zudem als Brennpunkt eines umfassenden Krieges, wär es wirklich so gewesen und gekommen, wenn Lenin 1917 in der Schweiz geblieben wäre und es dort zu einer kommunistischen Revolution gekommen wäre? Doch auch dies ist zu Beginn des Buches bereits Geschichte, eine Geschichte allerdings, die den Lauf der Welt völlig auf den Kopf stellt.

Jahrzehnte lang herrscht bereits Weltkrieg, doch moderne Errungenschaften der Kriegsführung haben sich in all diesen Jahren nicht Entwickelt. In der Sprache von 1917, mit teilweise militärischen Mitteln des ersten Weltkrieges (Kavallerie, die schwere Maschinengewehre auf den Pferden festgebunden haben) wogt der Krieg hin und her, Deutsche Luftschiffe bombardieren das militärische Hauptquartier in den Schweizer Bergen, ein deutscher Marshall wird in Schweizerisch-Salzburg hingerichtet, Sinti Divisionen stehen am schwarzem Meer. Eine düstere Welt, festgefahren im brutalen Konflikt. Eine Umkehrung der Weltverhältnisse, wie sie auch Robert Harris in "Vaterland" hatte anklingen lassen. Ähnlich wie dort schwingt auch hier ein Mord und das Thema Verrat mit, aber doch ganz anders.
Durch diese Welt folgen wir dem Ich Erzähler, geboren an der Grenze zu Mozambique und geschult in einer der afrikanischen schweizerischen Militärakademien in einer Geschichte mit wenig rotem Faden, aber vielen Assoziationen, Beschreibungen, verlorenen Hoffnungen. Die vordergründige Suche des erzählenden Polit-Kommissars nach einem Mörder ist letztlich nur Beiwerk für den Blick auf die fantastischen Umstände dieser kriegsgewohnten, Kriegserfahren und dennoch auch kriegsmüden Welt.

Dennoch ist an dem Geschilderten nicht unbedingt Neues, Überraschendes zu erkennen. Die geschilderten Verhältnisse, die starren Fronten, der feudalistische Umgangston, all das ist weitestgehend ja reale Geschichte der Verhältnisse im kommunistischen Russland und im ehemaligen Ostblock. Dies einfach nun in die Schweiz zu verlegen ist letztlich zu wenig, um neue und ganz andere innere Perspektiven zu eröffnen.

Andererseits ist das Buch sprachlich hervorragend erzählt. Kurze, knappe, kalte Sätze korrespondieren in bester Weise mit der geschilderten zerrissenen Welt. Eindrucksvolle, plastische Bilder versetzen mit wenigen Worten mitten hinein in die klirrende Kälte, die festgefahrenen Fronten, die kalten Grausamkeiten. Sprachlich mitnehmend entstehen innere Verbindungen zur eigentlich Leitfrage des Buches, warum zum Krieg als vermeintlich besserer Lösung gegriffen wird.
Fazit
So verbleibt ein diffuser Eindruck zum Schluss. Sprachlich interessant und teilweise kraftvoll, in er erzählerischen Dichte manches Mal wirr und damit auch ermattend. In einzelnen Schilderungen schaudernd, in anderen Bereichen unberührt lassend. Eine einheitliche Betrachtung des Buches stellt sich nicht wirklich ein. Dennoch sprachlich und in der Grundidee lesen- und bedenkenswert.
6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 14. Juni 2010

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