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Ann-Marie MacDonald: Wohin die Krähen fliegen

Wohin die Krähen fliegen

von Ann-Marie MacDonald (Biografie)
Verlag: Piper Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-492-24619-4

Preis: 3,18 Euro bei Amazon.de [Stand: 27. März 2024]
Die 8-jährige Madeleine kehrt 1962 mit ihren Eltern aus Deutschland nach Kanada zurück. Der Vater war bei den Kanadischen Streitkräften stationiert gewesen. Der Zweite Weltkrieg ist bei kanadischen Armee-Angehörigen noch sehr präsent; Kanada betrachtete sich damals als Teil Großbritanniens, das Verhältnis zum amerikanischen Nachbarn war kompliziert.

Vater MacCarthy wird auf dem Luftwaffenstützpunkt Centralia in Ontario unterrichten, Mutter Mimi, eine Französisch sprechende Akaderien aus New-Brunswick, wird wie immer schnell die Umzugskisten auspacken und dann Kontakt zu den neuen Nachbarn suchen. Madeleine wird am Beginn des Schuljahres 9 Jahre alt sein und in die 4. Klasse gehen. Hinter der oberflächlich sicher und harmlos wirkenden Idylle verbirgt sich die atomare Bedrohung durch die Kuba-Krise. Tonangebend ist in der amerikanischen und kanadischen Öffentlichkeit zu dieser Zeit die Propaganda des Kalten Kriegs. Zwischen all den hübschen, wohlhabenden und glücklichen Menschen stechen die Froehlichs heraus: MacCarthys Nachbar Froelich ist Jude, er war als Häftling in Auschwitz und als Zwangsarbeiter in Dora-Mittelbau.

Jack MacCarthy fühlt sich seinem Ex-Ausbilder verpflichtet und übernimmt zusätzlich zu seinem Dienst auf dem Stützpunkt heimlich die Aufgabe, sich um einen deutschen Überläufer aus Russland zu kümmern. Die Amerikaner meinen, den Mann als Raumfahrt-Experten für die NASA zu benötigen. Man kann sich die Verwicklungen vorstellen, die sich damals ergaben, als in der Zeit der glücklichen Nur-Hausfrauen ein Berufssoldat im Supermarkt Lebensmittel kaufte, die nicht für die eigene Familie bestimmt waren. Als Froelich den Überläufer als Kriegsverbrecher aus Dora-Mittelbau erkennt, muss sich Jack eingestehen, welcher Preis für das aberwitzige Raumfahrt-Unternehmen der USA gezahlt wird.

Keine der hübschen, wohlhabenden, glücklichen Mütter merkt, dass der Lehrer Mr. March seine Schülerinnen missbraucht. Madeleine hat ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihrem Vater, doch jedes Gespräch, in dem sie sich öffnen könnte, bricht zu schnell ab. Sie fühlt sich schuldig und schweigt über die Vorgänge. In dieser zunehmend bedrohlicher wirkenden Situation verschwindet eine Klassenkameradin Madeleines, man findet sie kurz darauf ermordet auf. In einem aberwitzigen Gerichtsverfahren wird Ricky Froelich, der Sohn der Nachbarn als Täter verurteilt. Jack als Zeuge entscheidet sich in diesem unlösbaren Konflikt gegen die Wahrheit, für die Loyalität zu seinem Freund Simon und vergibt so die einzige Chance, Ricky zu entlasten.

Die heranwachsende Madeleine flüchtet in eine Tätigkeit als Komikerin und parodiert zwanghaft Mr. March. Die Schuldgefühle ihrer Freundin gegenüber und die traumatische Erfahrung, vor Gericht aussagen zu müssen, werden sie nicht wieder loslassen. Als Madeleines Bruder Mike in Vietnam vermisst wird, bricht die Familie auseinander. Madeleine sucht die Spuren der Ereignisse, recherchiert, spürt den prägenden Figuren ihrer Kindheit nach und setzt sich schließlich mit dem Missbrauch auseinander.
Fazit
Auf über 1000 Seiten will Macdonald eine authentische Geschichte erzählen, die das kollektive Bewusstsein zur damaligen Zeit widerspiegelt. Die Autorin gibt Einblick in das Geschehen auf einem Luftwaffenstützpunkt im besetzten Deutschland und schildert sehr bewegend einen Fall von sexuellem Missbrauch. Wenn auch der Roman insgesamt sehr lang geraten ist, hebt er sich dadurch hervor, dass er nachvollziehbar zeigt, wie ein so offensichtlicher Fall wie in Madeleines Schulklasse über lange Zeit unentdeckt bleiben konnte.
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Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 02. Februar 2010

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