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Christian Krockow: Hitler und seine Deutschen

Hitler und seine Deutschen

von Christian Krockow
Verlag: Econ Ullstein List Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Biografie
ISBN-13 978-3-471-79415-9

Preis: 1,16 Euro bei Amazon.de [Stand: 27. März 2024]
Mit Interesse habe ich die neue Hitler-Biographie von Christian Graf von Krockow gelesen. Wie in seinen früheren Publikationen (etwa: "Friedrich der Grosse"; "Bismarck"; "Churchill") besticht der souveräne Umgang mit Quellen, die gewissenhaft ausgewertet werden. So entsteht ein plastisches Bild der Wirkung Adolf Hitlers. Die Wirkung Hitlers auf die Deutschen erklärt Krockow vor allem mit zwei Faktoren (vgl. S. 290): zum einen der Sehnsucht der Deutschen nach Sicherheit und Ruhe nach den Existenzbedrohungen durch Inflation und Weltwirtschaftskrise in der Weimarer Republik sowie dem "Glanz der Macht", an dem der Einzelne teilhabe, wenn er in gläubigem Gehorsam den Führerbefehlen folgten.
Vernachlässigt wird meiner Meinung nach das Faktum der sogenannten charismatischen Herrschaft, welches der Hitler-Biograph Ian Kershaw eindrucksvoll in seinen Schriften, insbesondere: "Hitlers Macht" und "Der Hitler-Mythos" herausgearbeitet hat. Neu für mich ist, dass Hitlers Jugend nicht als Versagen, sondern als Verwirklichung eines Traums gedeutet wird - die Wiener Jahre des späteren Diktators werden nicht als Versagen gedeutet, sondern als Erfolg: Hitler habe sich nicht der Wirklichkeit anpassen wollen und sich ihr "ergeben": "Wenn darum die Wirklichkeit sich ihm verschloss - um so schlimmer für die Wirklichkeit! Dann musste man sie umstürzen, vernichten, und so den Traum gegen sie durchsetzen". Hitlers Affinität zu Karl May kann so erklärt werden. Hitler führte das "Leben eines Taugenichts" (in Anlehnung an Eichendorffs Erzählung, die Krockow auch zitiert). Insofern gibt es interessante Neuansätze, wenn auch - wie dies bei jeder Biographie problematisch ist - die Wechselbeziehung zwischen dem Biographierten und den gesellschaftlichen Kräften nicht deutlich genug hervorgearbeitet wird; es war nicht nur die "Tatkraft" Hitlers, es war ebenso die allgemeine Anfälligkeit des Zwischeneuropa für faschistische und nationalsozialistische Bewegungen (vgl. hierzu die Schrift von Wippermann: "Europäischer Faschismus im Vergleich"). Diesen Mangel teilt Krockow aber auch mit anderen Biographien von Konrad Heiden (1937) bis hin zu Kershaw (1998/2000), auch wenn letzterer meint, diesen Widerspruch aufgelöst zu haben.

Hier genau setzt auch meine kritische Frage an. Diese Biographie bringt für mich nichts wirklich "Neues", was über das hinausgeht, was insbesondere Haffner in seinen "Anmerkungen zu Hitler", der Hitler als Revolutionär versteht, gesagt hat. Auch Hitlers Wirkung auf die Deutschen ist bereits beschrieben worden. Zwar deutet Krockow Traditionen in der deutschen politischen Kultur einer gewissen Kompromißlosigkeit und Radikalität in der Figur Hitlers an (S. 17), jedoch wird mir dies zuwenig ausgeführt. Warum waren Hitler und seine Bewegung ungleich radikaler als der italienische Faschismus Mussolinis oder Spaniens? Hängt dies wirklich mit der deutschen politischen Kultur zusammen? Auf diese Fragen, auf die die bisherigen Biographien (und auch die in ihrem Neuigkeitswert durchaus enttäuschende Biographie von Kershaw) keine befriedigenden Antworten geben, hätte ich gerne mehr gewußt.
Für mich bleibt als Fazit: Die beste Hitler-Biographie ist auch die kürzeste: Sebastian Haffners "Anmerkungen zu Hitler" (siehe meine dortige Rezension). Die "Offenbach-Post" bemerkte zu Recht beim Tode des Autors, er habe das Beste geschrieben, was je zu Hitler publiziert wurde. Dies gilt auch nach dem Erscheinen dieser keineswegs schlechten Biographie. Ich bin aber doch der Meinung, dass bei der Anzahl der vorliegenden Hitler-Biographien jede neue Biographie einen neuen Gedanken bringen muß oder neue Forschungsergebnisse vermitteln sollte, um den Aufwand zu "rechtfertigen". Dies kann ich bei der vorliegenden Biographie beim besten Willen nicht erkennen.
Fazit
Eine interessante Biographie, die jedoch nichts "Neues" bringt.
7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne
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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 17. Mai 2003

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