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Johannes Fried: Das Mittelalter. Geschichte und Kultur

Das Mittelalter. Geschichte und Kultur

von Johannes Fried
Verlag: Verlag C. H. Beck [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-406-57829-8

Preis: 29,90 Euro bei Amazon.de [Stand: 17. April 2024]
Wenn ein neues Buch von Johannes Fried erscheint, darf sowohl der Fachmann als auch der Laie gespannt sein. Der an der Universität Frankfurt am Main lehrende Fried gilt als einer der angesehensten Mediävisten Deutschlands. Sein "Weg in die Geschichte" (1994), eine umfassende und gleichzeitig hervorragend lesbare Geschichte der Anfänge Deutschlands, wurde völlig zu Recht mehrfach ausgezeichnet, während er in "Der Schleier der Erinnerung" (2004) einen höchst interessanten Forschungsansatz vertrat. Frieds neuestes Buch schließt eine nicht unempfindliche Lücke auf dem Buchmarkt. Allgemeine Einführungen in die Geschichte des Mittelalters sind keine Mangelware, doch gibt es nur relativ wenige Synthesen, die das Mittelalter in seiner ganzen Breite wenigstens ansatzweise darstellen.

Wenngleich auch Frieds Monographie keine erschöpfende Darstellung des Mittelalters darstellt, was auch nicht die Absicht des Autors war, so bietet es doch einen sehr gut lesbaren und gleichzeitigen sachkundigen Überblick bezüglich der Zeit von ca. 500 bis 1500. Fried wählt nicht zu Unrecht die ausgehende Spätantike, die Geburtszeit Europas, als Ausgangspunkt, widmet sich dann der karolingischen Zeit und der Entfaltung Europas in der folgenden Zeit, in der es unter anderem zum Machtkampf zwischen Kaisertum und Papsttum kam, bis zur Geburtsstunde der "Nationalstaaten" England und Frankreich und dem Beginn der europäischen überseeischen Expansion. Vor dem Leser wird ein Panorama der mittelalterlichen Welt ausgebreitet, was besonders vor dem Hintergrund des beschränkten Platzes Hochachtung verdient. Brüche und Kontinuitätslinien werden immer wieder von Fried nachvollziehbar herausgearbeitet.

Es ist darüber hinaus beeindruckend, wie sicher Fried die gewaltige Stoffmenge bewältigt und bei aller notgedrungenen Knappheit doch die grundlegenden Entwicklungen sicher nachzeichnet und gleichzeitig mehrfach Stellung bezieht, wie beispielsweise bei der eher negativen Bewertung der Politik der Stauferkönige. Philosophie, gesellschaftliche Entwicklungen und Rechtsgeschichte kommen ebenso zur Sprache wie die politischen Entwicklungen, was keineswegs selbstverständlich ist. Denn Frieds Fokus ist nicht allein auf das Heilige Römische Reich gerichtet, vielmehr schwenkt er den Scheinwerfer ebenso auf England und Frankreich, auf den Norden wie auf das Papsttum. Schade ist nur, dass Byzanz eher am Rande Erwähnung findet, doch mag dies sowohl den Beschränkungen des Platzes wie auch der Tatsache geschuldet sein, dass Mediävisten diesen Bereich oft eher den Byzantinisten überlassen.

Offenbar war ein Hauptanliegen Frieds, mit mehreren Vorurteilen aufzuräumen. Fried verschweigt nicht mach düstere Episode, doch vom "dunklen Mittelalter", einem im Film und populären Darstellungen noch heute gerne gepflegten Allgemeinplatz, wird man wenig wiederfinden. Beachtenswert sind die zahlreichen Partien, in denen Fried auf die teils bis heute wirkungsmächtigen Entwicklungen im Mittelalter hinweist und die originären Leistungen dieser Zeit betont, ohne Kreuzzug oder Machtkämpfe zu verschweigen. Die geistige und kulturelle Einheit Europas, die heute oft beschworen wird, das ist Frieds Fazit, hat seinen Ursprung nicht zuletzt im Mittelalter, einer durchaus schöpferischen Epoche.
Fazit
Frieds Darstellung ist ungemein lesbar und dennoch von großer inhaltlicher Tiefe. Der Stilist Fried weiß dabei den Leser immer mitzunehmen und komplexe Vorgänge plastisch verständlich zu machen, was keineswegs selbstverständlich ist, bedenkt man auch die Vielzahl von Forschungsproblemen, die viele der angesprochenen Themenkomplexe beinhalten (für diese sei etwa auf die einschlägigen Bände der Reihe "Oldenbourg Grundriss der Geschichte" verwiesen).

Jedem am Mittelalter Interessierten sei dieses Buch nachdrücklich empfohlen. Gerade (aber nicht nur) der Nicht-Fachmann wird sicherlich reichen Gewinn aus der Lektüre dieses Werkes ziehen, das einen hervorragenden Einstieg in die Epoche bietet, wenngleich Leser mit bereits vorhandenen Grundwissen den Ausführungen vielleicht mehr abgewinnen werden als vollkommene Laien. Positiv hervorzuheben sind auch die zahlreichen Abbildungen. Die knappe, aber aktuelle Bibliographie bietet einen guten Ansatzpunkt für die Eigenrecherche.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne
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Vorgeschlagen von B. Kiemerer [Profil]
veröffentlicht am 15. Oktober 2008

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