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Ewald Frie, Mischa Meier: Krisen anders Denken

Krisen anders Denken

von Ewald Frie, Mischa Meier
Verlag: Econ Ullstein List Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-549-10059-2

Preis: 32,00 Euro bei Amazon.de [Stand: 26. April 2024]
Dynamiken meistern statt Ohnmacht erleben

Es ist wieder eine dieser Zeiten. In denen im öffentlichen Diskurs der Untergang der Welt thematisiert wird. Und, wieder einmal, auch zu Recht. Es nutzt nun nichts, im Blick auch auf dieses Werk mit seiner sorgsamen Aufarbeitung vielfacher heftiger Krisen der Weltgeschichte, achselzuckend alles abzutun mit einem "Wird schon wieder oder nochmal gutgehen". Bei näherer Betrachtung hat die Welt als solches zwar bereits viele Krisen überstanden, aber gut gegangen ist das oft nun wirklich nicht, betrachtet man die Folgen für Hunderttausende bis Millionen von Menschen zu Zeiten harter Krisen.

Und ein Zweites tritt hinzu: die Steigerung der möglichen Krisenfolgen in ihrer geographischen Verbreitung. Tatsächlich ist inzwischen nicht mehr nur ein großer Teil, sondern die gesamte Welt in mannigfaltiger Form von ernsthaften Problemen bedroht. Was aber in all der aktuellen Diskussion hier und da ein stückweit zu kurz kommt und was dieses Werk Lesern und Leserinnen intensiv vor Augen führt, ist, dass es verschiedenen auch konstruktive Haltungen gibt, Krisen als solche anzunehmen und ihnen zu begegnen. Eben anders zu denken als populistisch, marktschreierisch, resignierend oder leugnend.

Mit einem detaillierten und fundierten Blick zurück auf Krisenzeiten der Welt und einer hoch interessanten Betrachtung, wie in Extremsituationen konstruktiv wie destruktive Wege eingeschlagen wurden. Solidarische und gemeinsam die Kräfte zusammenbringende Wege oder diktatorische Strukturen im Ruf nach einem "starken Mann" oder einer "Starken Gruppe" zur Lösung extremer Bedrohungen. Und welche Folgen die jeweilige Entscheidung zur vermeintlichen Lösung jeweils nach sich zog.

Dabei stehen im Zentrum des Interesses dieses Werkes: "Die kommunikativen und sozialen Dynamiken, die entstehen, wenn Alarm geschlagen wird". Und was sich aus der ersten und immer stärker sich steigernden Aufregung an Lösungsansätzen historisch je erwachsen ist. "Wir wollen diesen Zustand jetzt und sofort ändern. Wir mobilisieren alle verfügbaren Kräfte, um die Bedrohung zu beseitigen". Und man ist allgemein in solchen Zeiten auch sozialer Dynamik vor allem von einem geleitet, rein von den tiefliegenden Emotionen der Angst her.

Oft aber, und das zeigen die verschiedenen Beiträge im Buch eindrucksvoll auf, sind schnelle und erste Lösungen bei Weitem nicht die Besten Lösungen. So gilt also auch, aus den vielen Beispielen der Krisen in der Geschichte jene Kräfte heraus zu extrahieren, die für eine gewisse Beruhigung angesichts der Gefahr sorgen können, die mit einer gewissen inneren Distanz die Bedrohungen auch faktisch und sachlich anzugehen verstehen.

Ein Blick auf die "Justinianische Pest" und ihre Verschlimmerung durch eine Vielzahl. Hektischer Maßnahmen spricht hier eine beredte Sprache, wie auch jene Neigung nicht weniger Menschen, immer und zu allererst persönlichen Gewinn aus Krisen ziehen zu wollen und damit die Krise durch erodierende Solidarität und Misstrauen auf breiter Fron noch zu verschlimmern. Missernten, Arbeitermangel, Aufwiegeln des Volkes, Epidemien, all das ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern immer wieder in harter Form reale Geschichte der Menschheit. Mit allein schon der Erkenntnis versehen, dass zu allen Zeiten in Krisen Menschen, eben nur durch andere "Kanäle", soziale Dynamik bis hin zur Massenpanik einander aufschaukelnd generierten. Ob zu Recht oder Unrecht spielt für diese Erkenntnis dabei zunächst weniger eine Rolle.

Dass es auch anders geht und wie es besser gelingt, mit existenziellen Bedrohungen Umgang zu finden, zeigen dann auch eine Reihe anderer historischer Ereignisse. Denen vielfach gemein ist, dass besonnen reagiert wurde, allen Einschränkungen abverlangt wurde, die soziale Dynamik nicht zu einem immer weiter sich Erregen gegeneinander oder "eine andere Gruppe" der Gesellschaft gesteigert wurde, sondern zu einem "Herunterkochen der Gefühle" angeleitet wurde. Nicht jeder Katastrophe kann man mildernd begegnen, immer aber gilt, dass gemeinsam besser mit Bedrohungen und deren Folgen Umgang gefunden werden konnte.
Fazit
Not schafft eben unter bestimmen Voraussetzungen und bestimmten Werten des Handelns tatsächlich Lösungen, kann aber auch bei hektischer Reaktion und allein auf eigene Vorteile bedacht bleiben katastrophale Ereignisse bis zum Exzess aufheizen.

Eine gut zu lesende, fundiert argumentierte und sachlich verständliche Lektüre, die ohne allzu Große Bewertungen Bedrohungen und mögliche Reaktionen auf solche hin darstellt. Mit natürlich klar zu lesenden Empfehlungen aus den Fakten der Geschichte heraus, welche Haltungen und Handlungen eine größere Chance darstellten, Bedrohungen für ganze Gesellschaften gemeinsam besser abzufedern.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne
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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 20. Juli 2023

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