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Friedrich Nesnanskij, Eduard Topol: Roter Platz

Roter Platz

von Friedrich Nesnanskij, Eduard Topol
Verlag: Econ Ullstein List Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Krimi
ISBN-13 978-3-550-06377-1

Preis: 1,75 Euro bei Amazon.de [Stand: 19. April 2024]
Januar 1982: Um die Nachfolge des seit 17 Jahren amtierenden Staats- und Parteichefs Leonid Breschnjew bricht im Kreml ein offener Machtkampf aus. Jurij Andropow, der im November 1982 tatsächlich zum neuen Kremlchef gewählt wurde, greift nach der Macht. Am 21. Januar 1982 meldeten die sowjetischen Zeitungen den plötzlichen Tod des stellvertretenden KGB-Chefs Semjun Zwigun. Seine Todesanzeige wurde nicht von seinem Schwager Breschnjew, sondern von Andropow und seinen engsten Verbündeten, unter anderem Michail Gorbatschow unterzeichnet. Nur 4 Tage später stirbt der zweite Mann des Kreml, Parteichefideologe Michail Suslow.

Was sind die Hintergründe dieser Ereignisse? War Zwigun, wie die Iswestija schrieb, nach "langer Krankheit" gestorben oder hatte er - wie die Gerüchte besagten - Selbstmord begangen? Dies soll Detektiv-Chefinspektor Igor Schamrajew, ein Spezialist für Sonderfälle klären. Er wird von Breschnjew persönlich mit der Unterscuhungt des Falles beauftragt.

"Roter Platz" besticht durch seine intimen politischen Kenntnisse der russischen Gesellschaft und seiner Führungsspitze.

Die dort geschilderten Ereignisse hat es tatsächlich gegeben, d.h. der oben geschilderte Machtkampf ist authentisch und bei Voslensky in seinem Werk "Sterbliche Götter", Dusko Doder "Machtkampf im Kreml" und anderen Werken ausführlich beschrieben worden. Der Tod Zwigungs und Suslows leitete in der Tat den Machtwechsel zu Andropow ein, der Suslows Nachfolger als Zweiter ZK-Sekretär, d.h. wichtigster Mann des sowjetischen Parteiapparates nach Breschnjew wurde. Schließlich setzte sich Andropow nach Breschnjews Tod am 10. November 1982 gegen dessen Favoriten, ZK-Sekretär Tschernjenko, durch. Dieser sollte dann nach Andropows Tod im Februar 1984 für 13 Monate an der Kreml-Spitze stehen, bevor mit Gorbatschow endlich die jüngere Generation ans Ruder kam.

Andropow ist auch direktes Vorbild des derzeitigen Präsidenten Wladimir Putin. Auch unter diesem Aspekt dürfte es interessant sein, den vorliegenden Krimi, einen der besten Politthriller den ich kenne, zu lesen. Für Fans des sowjetischen Kriminalromans ein unbedingtes Muß. Die einzelnen Politiker werden so plastisch beschrieben, dass der Autor die Fiktion seiner Geschichte extra bestätigen mußte: "Alle in diesem Buch beschriebenen Personen, einschließlich Leonid Breschnjew, Michail Suslow, Jurij Andropow, Semjon Zwigun...sind pure Erfindung der Autoren."

Nichtsdesto trotz verfügten die beiden Autoren, die in der Sowjetunion aufgewachsen sind, dort studierten und sich mit Tabuthemen wie Jugendkriminalität befassten, über intime Kenntnisse des Landes. Beide entwickelten sich zu Dissidenten und emigrierten 1978 in die USA.
Fazit
Wenn man heute Kerstin Holms: "Die korrupte Gesellschaft" liest, in der das Phänomen von Bestechung und Korruption in der gegenwärtigen russischen Gesellschaft ausführlich beschrieben wird, und dieses Werk mit dem vorliegenden Krimi vergleicht, sieht, dass das Phänomen der Korruption in diesem Lande nicht neu ist. Insofern handelt es sich bei diesem Werk nur vordergründig um einen Kriminalroman oder einen spannenden Politthriller mit lebensecht gezeichneten, ja "farbigen" Figuren, die tatsächlich existiert haben bzw. existiert haben könnten. Es handelt sich hierbei auch um eine Auseinandersetzung mit dem politischen System der ehemaligen UdSSR, welche sich zwar 1991 auflöste, ohne ihre historische Erbschaft, und hierbei sind insbesondere das Phänomen von Korruption und Autoritarismus zu nennen, überwunden zu haben, wie das oben zitierte Werk von Kerstin Holm zeigt. Die Lektüre beider Werke zeigt: es ist noch ein weiter Weg zurückzulegen, bis sich eine freie Zivilgesellschaft in Rußland entwickeln kann.
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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 27. März 2004

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