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Remo H. Largo: Das passende Leben

Das passende Leben

von Remo H. Largo
Verlag: S. Fischer [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-10-397274-0

Preis: 15,58 Euro bei Amazon.de [Stand: 19. April 2024]
Leben im "Fit".

Ein wissenschaftliches Leben im Dienst der Entwicklungspsychologie mit dem Schwerpunkt "Wachstum und Entwicklung", zunächst im Blick auf Kinder und deren "Werden einer Person" ist der Hintergrund, den Remo H. Largo mitbringt und auf dessen Basis er dieses sehr differenzierte, sehr fundierte und sehr verständliche, empathische "Magnum Opus" nun vorlegt. Mit dem (aber nicht dem einzigen) Kernsatz: "Jeder Mensch will seine Begabungen entfalten, um dabei immer mehr er selbst zu werden". Eine Einsicht, die nicht nur jeder psychologischen Schule zugrunde liegt, die nicht nur am Anfang auch allen therapeutischen Fragens stand, sondern die nun eben durch langjährige Feldforschungen und Beobachtungen gesichert im Raume steht.

Wie nun aber findet sich das individuell "passende Leben"? Das mag in vorherigen Jahrhunderten einerseits leichter gewesen sein (aus Mangel an Alternativen oft und einer klaren Rahmung und fast "Vorzeichnung" bestimmtet Lebenswege), andererseits, wer sich damals nicht in den übersichtlichen Angeboten bereit war, zurecht zu finden, der hatte hohen sozialen Druck zu überwinden, er oder sie selbst zu sein, gekoppelt nicht selten auch mit dem Verlassen der angestammten "Heimat-Gruppe". In der Gegenwart sind die möglichen Lebenswege und deren jeweilige Sinnstiftung Legion. Auch das benennt Largo treffend: "Unsere Individualität zu leben ist eine Herausforderung, die uns ein Leben lang auf Trab hält".

Kein einfacher Ratgeber mit schematischen, nur zu "übernehmenden" Lebensregeln also liegt hier vor, kein Schwarz-und Weiß denken, dem man entweder angehört oder eben "versagt". Sondern Largo stellt Paradigmen vor, innerhalb derer der Leser dann je für sich selbst sich auf die Suche zu begeben hat. Wer bin ich, was will ich und wie bekomme ich das (im Rahmen eines solidarischen Lebens)? Um hier Antworten und Wege zu finden dienen Paradigmen des "Fit-Prinzip", das im Kern das "Programm" des Buches ausmacht (nach vielen vorarbeitenden Einblicken in die Entwicklung des Lebens und der Persönlichkeitsfindung des Menschen).

Ein Prinzip aus Puzzlestücken, dass Largo zunächst in seiner Entwicklung darlegt, um dann die einzelnen Elemente zu benennen. "Menschen können nicht irgendein Leben führen, sondern nur ihr eigenes". Erreicht hat der Mensch dieses (für den Augenblick, da immer wieder darum gesucht und gerungen werden wird), wenn sich ein körperliches und seelisches Wohlbefinden unter den Beigaben von Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit ausbalanciert einstellt. Die in den "drei Grundkompetenzen" sich verwirklichen und nach außen und innen zeigen:

"Grundbedürfnisse, Kompetenzen und Vorstellungen" stellen im besten Falle ein gemeinsames Ganzes dar. Wobei die Kompetenzen dazu dienen, die individuellen (und gegenüber anderen immer auch verschiedenen) Grundbedürfnisse zu befriedigen und diese mit den individuellen "Vorstellungen" in Einklang zu bringen. Alle drei Paradigmen werden von Largo differenziert unterteilt, so dass ein vielfältiges "System" entsteht, dass der Leser sich aneignen und in dessen vielfach möglichen Kombinationen und Schwerpunktsetzungen langsam ein Bild der eigenen Ziele, Wünsche, stark ausgeprägter Grundbedürfnisse im Abgleich mit den eigenen Vorstellungen und denen der Umwelt entfaltet.

Erleichternd einerseits, aber leicht auch verunsichert und bedrängend andererseits sind die Schlüsse, die Largo als Zwischenschritt aus all dem zieht. Beunruhigend vor allem für jene Leser, die sich in "festen Systemen" eingerichtet haben und in der klaren Unterscheidung von "Richtig und Falsch" äußere Sicherheit und innere Beruhigung zunächst finden. "Die 'einzig richtigen', für alle Menschen gültigen Vorstellungen, etwa religiöser Art, gibt es nicht".

Hier stellt das Werk nicht geringe Ansprüche an eine Gesellschaft, die vielfach darum ringt, sich äußerlich abzusichern, um innerlich nicht ständig in starker Beunruhigung sich zu finden und die ihre Zugehörigkeitsgefühle vor allem durch übereinstimmende Werte (und Feindbilder) definiert. Religionen, Fans von Vereinen, Parteizugehörigkeit, all dies wird von Largo nicht negiert, aber in Bezug auf die Aufgabe zur Individualität als nicht passender Weg einer inneren, freien, persönlichen Entfaltung gesehen.

Das jeder Mensch seinen persönlichen Weg einzeln durchdeklinieren muss und die "Antworten anderer" dabei nur bedingt hilfreich sein können, das ist das überaus Fordernde der Erkenntnisse und Schlüsse Largos. Aber wer dem widerspricht, der ist zugleich genötigt, die jahrelangen Forschungsergebnisse zumindest in Teilen zu negieren und das dürfte schwerfallen.
Fazit
Ein Buch, dass dem Leser die Richtung eines "passenden" persönlichen Lebens wahrlich eröffnet, dieses Chance und Notwendigkeit fundiert begründet und einen Rahmen setzt, in dem jeder sich auf die Suche machen kann (und, nach der Lektüre, tatsächlich auch machen sollte).
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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 09. Juni 2017

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