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Nils Heinrich: Wir hatten nix, nur Umlaute

Wir hatten nix, nur Umlaute

von Nils Heinrich
Verlag: Rowohlt Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-499-62963-1

Preis: 3,13 Euro bei Amazon.de [Stand: 25. April 2024]
"Wir hatten nix, nur Umlaute" ist der Titel des Buches von Nils Heinrich. Das kann man von dieser kleinen schriftstellerischen Kostbarkeit nicht sagen - ganz im Gegenteil - sie hat eine ganze Menge. Nils Heinrich, 1971 in Sangerhausen Kreis Halle geboren, erzählt über seine Kindheit und Jugend in diesem unspektakulären Örtchen, in dem er dann auch 10 Jahre lang die Schulbank drückte und bis zur Wende eine Lehre als Konditor begann. Er führte ein durchschnittliches Jugendlichen-Leben in einer Otto-Normalverbraucher-Familie, die ein "Weltstar aus Beton", die Berliner Mauer, von den anderen, eigentlich ebenso normalen Familien im Westen trennte.

Da ich ein absoluter "Wessi" bin und keinerlei Vergleiche eigener Erfahrungen zu seinen Schilderungen heranziehen kann, bin ich seinen intelligenten, humorvollen, mit Sarkasmus ausgestatteten Erinnerungen vorbehaltlos ausgeliefert. Ich habe keine Veranlassung, meine Gedanken dahingehend abschweifen zu lassen, dass ich mich frage, wie es damals bei mir eigentlich gewesen ist, sondern ich kann mich einfach mitnehmen lassen auf die Reise in eine kritisch und dennoch verständnisvoll betrachtete "Ossi" - Vergangenheit, in welcher das amusierte Lachen genau so zuhause ist wie die Wut über ein beschränktes System oder die Sehnsucht nach Unerfüllbarem.

Kurzweilig und phantasievoll bringt Nils Heinrich dem Leser Anekdoten aus seinem Leben vor und nach dem Systemwechsel nahe und spart nicht mit recht deutlich ausgeschmückten Vergleichen, sodaß es nicht viel Mühe macht, sich ein Buch lang in Sangerhausen "zuhause" zu fühlen, selbst wenn über der Rosenstadt die Geruchsschwaden aus den Schloten der Abdeckerei dem Duft der Blumen das Dasein streitig machen. Der irrwitzige "Material-Mix" aus dem die Dinge des alltäglichen Lebens damals hergestellt wurden, seien es die Bestandteile der "Eierschecke" oder der Bausatz für den Trabi, ebenso wie die fragliche Verwandtschaft des "Dessauer, Hell" mit dem Gewässer der Mulde, erstaunen und amusieren den Leser in diesem Kabinettstückchen eines Buches.

Mit einem Augenzwinkern, das den Ernst mancher Gedanken in dieser Zeitreise mildert, gewährt der Autor Einblicke in ein Leben, das uns - auf der anderen Seite - nie so bewußt geworden ist, bevor die Trennung des deutschen Volkes Vergangenheit wurde und die Geschichten und Erzählungen keine Grenze mehr überwinden mussten. Wunderbares Buch, dessen feinsinnige Art zu erzählen mehr auslöst, als man glaubt.
Fazit
Ein uneingeschränktes Lesevergnügen aus einer Zeit, die gar nicht so weit zurück liegt und dennoch durch willkürliche Trennung so weit entfernt scheint. Absolute Leseempfehlung.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne

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Vorgeschlagen von brillenbaby [Profil]
veröffentlicht am 30. Januar 2013

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