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Ben Brooks: Nachts werden wir erwachsen

Nachts werden wir erwachsen

von Ben Brooks
Verlag: Berlin Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-8270-1061-2

Preis: 4,40 Euro bei Amazon.de [Stand: 27. März 2024]
Im socielnet- und Lebenstaumel

Jasper hat es einerseits nicht einfach und andererseits sehr. Nicht einfach, sich in seinem Leben emotional "vorkommen zu lassen", dies ist zumindest der Anschein, den er erweckt. Einfach allerdings, da er sich fast völlig auf dieses sein "facebook - party - erlebnis - Leben" konzentrieren kann.

Gut gut, die Stunden mit der Therapeutin (er hat eine Katze getötet. Folgt man ihm, war es Erlösung, folgt man dem Bild der anderen war es zumindest jugendliche Quälerei) waren zunächst lästig, bis er herausbekommen hat, was die Frau hören will und wie er das zu formulieren hat, seitdem verstreichen auch diese Stunden im Geplätscher der Zeit.

Zeit, die gefüllt ist mit "Sex and Drugs and Party". Nebenbei noch mit ein wenig Schwärmen für die momentane Traumfrau, die leider ein wenig zu konservativ in der Haltung ist (zumindest für das Bild, das Jasper von 17jährigen Mädchen hat). Da hilft dann hier der heiße Chat im Internet. Für solche "Aktivitäten" nutzt Jasper im Übrigen gern die Socken seines Stiefvaters, den er für einen Serienmörder hält (ohne zwingenden Beweis, natürlich).

Umgeben von gleichaltrigen Maulhelden, nervtötenden Lehrern und überaus verständnisvollen, sprich meist nur mit sich beschäftigten, Eltern taumeln Jasper und die Seinen eher durch das, was sie Leben nennen (oder was sie an Leben zu finden hoffen), denn dass eine klare Linie der Entwicklung erkennbar wäre.

Auch im Stil folgt Brooks eher einem solchen Taumeln, wie eine Aneinanderreihung von Tagebucheintragungen (und dann macht ich dies und dann passierte das und dann machte ich Tee und dann zog ich eine Line und dann, und dann, und dann), scheut auch den Blick auf die Partyleichen und blutrot verfärbte Körperteile nicht, ebenso, wie er lapidar und nebenbei und ohne großes Aufhebens den Sex immer wieder in die Mittelpunkt der Betrachtungen rückt. Sex, der eher klinisch stattfindet, ohne weitergehende Emotionen.

Neben all diesen "Erlebnissen" schält sich bei der Lektüre des Buches ein Hauptthema durchaus erschreckend heraus. Unbeteiligt sind sie, die Protagonisten des Buches. Ob sich auf einer Party jemand einen Finger abschneidet und beim Versuch, das Krankenhaus zu erreichen, die betrunkene Freundin im Graben landet (samt Opfer und Finger) und erst Stunden später sich jemand aufrafft, mal zu helfen. Ob die Clique von gut 20 jungen Leuten von zwei Schlägern angegriffen wird und keiner dem einen hilft, der sich im Schwitzkasten wiederfindet. Ob ein Mädchen auf der Schule Selbstmord begeht, da sie Opfer einer sexuellen Mobbing Attacke wurde, all dies und noch viel mehr streicht einfach so vorbei im Buch, bildet keine emotionalen Zäsuren, vor weniger Höhepunkte.

So besteht die Kraft des Buches vor allem darin, den Blick auf eine rein egozentrische, der momentanen und spontanen Lust hingegeben und ansonsten emotional (fast) völlig leeren Jugend zu richten, die sicherlich nicht als unbedingt repräsentativ gelten muss, dennoch aber wohl durchaus nicht realitätsfern geschildert wird. Vor allem in jenen Momenten, die die Unsicherheit, die Angst, die Leere des eigenen Tuns doch durchblitzen lassen.

Was die Lektüre erschwert ist der einerseits lapidare Tonfall, der einen durchaus hier und da den Faden verlieren lässt und zudem die doch in Teilen äußerst flachen Charaktere. Nur selten spürt man eine gewisse Entwicklung oder Differenzierung (eine enge Freundin Jaspers, Tenaya, bildet hier eine leichte Ausnahme, nicht nur, weil sie sich ritzt).
Fazit
Das Buch fließt und fließt vor sich hin, bildet leider zu wenige wirkliche Höhepunkte aus, was die innere Beteiligung des Lesers erschwert, zeigt aber schonungslos und in direkter Sprache eine Jugendwelt, die durch die Tage taumelt, die Zeit mit allem füllt, was irgendwie unterhaltsam scheint. Wo es aber darauf ankäme, sich abwendet oder einfach kneift. Nicht nur in äußern Situationen, vor allem eine innere Emotionslosigkeit scheint zumindest diese konkrete Gruppe von Jugendlichen zu kennzeichnen, die Brooks als Autor im Blick hatte. Eine Emotionslosigkeit aus Unsicherheit und Angst heraus, die es durchaus wert ist, auch durch dieses Buch, wahrgenommen zu werden.
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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 02. März 2012

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