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Wolfgang Herrndorf: Tschick

Tschick

von Wolfgang Herrndorf
Verlag: Rowohlt Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-87134-710-8

Preis: 3,15 Euro bei Amazon.de [Stand: 16. April 2024]
Aufgrund zahlreicher positiver Kritiken, u.a. der Nominierung zum Deutschen Jugendliteraturpreis, habe ich dieses Buch gelesen und bin sehr enttäuscht. Das Werk wurde mit Huckleberry Finns Abenteuer - dessen Reise auf dem Mississippi mit dem entlaufenen schwarzen Skalven Jim - verglichen und gerade dieser Vergleich macht leider deutlich, dass das vorliegende Werk in keinster Weise an Mark Twains Meisterwerk heranreicht.

Zum Inhalt:
Der 14-jährige Maik Klingenberg ist in seiner Klasse Außenseiter, seitdem er in einem Aufsatz das Alkoholproblem seiner Mutter öffentlich gemacht und er dafür von seinem Deutschlehrer gerügt worden war. Daher wird er zeitweise "Psycho" genannt und findet keine richtigen Freunde. Dies wird besonders offensichtlich, als eine Schulkameradin, Tatjana Cosic, fast alle Klassenkameraden zu ihrer Geburtstagsparty in den bevorstehenden Sommerferien einlädt und Maik zu den wenigen Leuten gehört, die keine Einladung erhalten haben.

Dieses Schicksal teilt er mit dem neu in die Klasse gekommenen Russen Andrej Tschichatschow, genannt Tschick, der es irgendwie aufs Gymnasium geschafft hat, dort aber meist betrunken aufkreuzt. Nur wenn er zeitweise mal nüchtern ist, zeigt sich, dass er in einigen Fächern durchaus begabt scheint.

Aus unerklärlichen Gründen - möglicherweise, weil Tschick in Maik ebenfalls einen "Außenseiter" spürt - fährt er mit einem geklauten Lada bei Maik vor, als dieser allein die Sommerferien verbringt. Die Mutter befindet sich in der Entziehungsklinik, der geschäftlich gescheiterte Vater verbringt die Ferien lieber mit seiner Geliebten und täuscht eine "Geschäftsreise" vor. Er hinterläßt seinem Sohn 200 Euro und die Auflage, "keine Scheiße" zu bauen.

Doch genau dies geschieht: Tschick überredet Maik, ihn mit dem gestohlenen Auto in die Walachei zu begleiten. Pech nur, dass beide nicht wissen, wo diese Region liegt und sich weder über Karten oder das Internet über die genaue Lage informieren. Ohne Handy oder andere Kommunikationsmittel, mit denen sie eventuell geortet werden können, beginnt eine Reise, bei der ich mich gefragt habe, warum die beiden Ausreißer nicht gleich von der Polizei geschnappt werden, sondern mehrere Tage kreuz und quer durch Ostdeutschland reisen können, ohne erwischt zu werden.

Schließlich bauen sie - nach Tagen des Umherirrens - einen Unfall und so endet die Reise nicht in der ersehnten Wallachei bei Tschicks Großeltern, sondern im Krankenhaus und bei der Polizei. Tschick landet im Heim, während für Maik die Sache etwas glimpflicher ausgeht: er bekommt als Strafe Sozialstunden, die er ableisten muss und Ärger hat er nur mit seinem Vater, der über die Extratouren seines Sohns sehr ungehalten reagiert und nicht in der Lage ist, dem Jungen Verständnis und Wärme zu liefern. Er ist nur daran interessiert, alles auf den " asozialen Russen" zu schieben und seinen eigenen Sohn heil aus der Angelegenheit herauskommen zu lassen. Maik selber ist jedoch zu anständig, um dies zuzulassen und erzählt rückblickend die ganze Geschichte, ohne seinen "Anteil" an den Ereignissen zu verschweigen.

Diese Wendung am Ende war das Einzige, was mir an diesem Buch gefallen hat: dass Maik Tschick nicht im Stich lässt. Ansonsten kann ich mich positiven Bewertungen leider nicht anschließen. Die Handlung ist vorhersehbar und m.E. nicht frei von Klischées. So naiv sind Jugendliche heutzutage nicht, sich ohne Karte und einfach so ins Blaue zu begeben. Die Charaktere wirken oberflächlich. So hätte mich interessiert, warum Tschick ausgerechnet mit Maik Freundschaft sucht. Doch all dies bleibt an der Oberfläche und auch am Ende ergibt sich nicht die Chance einer differenzierten Aufklärung oder einer Liebessgeschichte - etwa mit dem von Maik verehrten Mädchen Tatjana - weil der ironische Deutschlehrer dazwischentritt und eine heimliche Kommunikation der beiden - und damit eine entstehende Liebesbeziehung - verhindert. Doch dies scheint dem Autor ganz recht zu sein. Die Szene zeigt, dass lediglich an der Oberfläche "gekrazt" wird, in die Tiefe geht dieser Roman keinesfalls und m.E. ist die Handlung nicht glaubwürdig. Man lese einmal die Bücher von Jochen Till, um zu wissen, wie Jugendliche heute "ticken". Doch dieser Roman ist m.E. unglaubwürdig und absolut nicht authentisch. Die von einigen Rezensenten hochgelobte Sprache erscheint mir stellenweise bemüht zu sein, als ob Jugendsprache "gewaltsam" nachgeahmt werden sollte.
Fazit
Aber glücklicherweise sind Geschmäcker ja verschieden. Mir jedoch hat das Buch leider nicht gefallen, ich finde es noch nicht einmal durchschnittlich, vorhersehbar und keinesfalls spannend. Glaubhafte Charaktere oder eine plausible Handlung gibt es meines Erachtens leider nicht. Lesen Sie lieber nochmals "Huckleberry Finns Abenteuer", das Werk, mit dem einige Literaturkritiker das vorliegende Buch verglichen haben oder auch "Der Fänger im Roggen", mit dem es ebenfalls verglichen wird. Dann wird das unterschiedliche Niveau dieser Klassiker auf der einen Seite und dem vorliegenden Buch auf der anderen Seite m.E. mehr als deutlich. Keine Empfehlung.
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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 05. August 2011

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