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Hans Rudolf Vaget: Thomas Mann, der Amerikaner

Thomas Mann, der Amerikaner

von Hans Rudolf Vaget
Verlag: S. Fischer [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Biografie
ISBN-13 978-3-10-087004-9

Preis: 24,95 Euro bei Amazon.de [Stand: 19. April 2024]
Exiljahre

Seit dem, inzwischen vielfach gesendeten, umfassenden Film von Heinrich Breloer über die Manns ist die Zeit zwischen 1938 und 1952, jene Exiljahre Manns in Amerika, besser und bildlicher beleuchtet als in den langen Jahrzehnten zuvor. Jahrzehnte, in denen sich gerade die deutsche kulturelle Landschaft, aber auch die Politik, lange Zeit schwer taten mit dieser "Stimme Deutschlands", die sich in Übersee entwickelt hatte.
Nicht zuletzt daher klaffte bisher eine gewisse Lücke, was diese Jahre für den Schriftstellter Thomas Mann, sein Werk, aber auch seine kulturelle Identität betreffen.

Exiljahre auch, die den Selbstmord seiner Schwägerin, die Entwurzelung gerade seiner Kinder Klaus und Erika vorantrieben, für Klaus Mann ebenfalls mit dramatischen Folgen, später. Die seinen Bruder Heinrich, zu Zeiten durchaus im Erfolg fast Thomas fast ebenbürtig, in Armut stürzten und die enge Unterstützung durch Thomas Mann nötig machte.

Eine Zeit aber auch, in der seit Anfang der 40er Jahre vielfaches von Thomas Mann in Wort und Ton erhalten ist. Seine in Kalifornien aufgezeichneten Schallplatten zum Zwecke von Radiosendungen für die Kampfgebiete in Europa enthalten bis heute sprachlich wie inhaltlich intensive Gedanken und Aufrufe über den Frieden, den Menschen, das gemeinschaftliche, würdige Zusammenleben der Völker. Thomas Mann, der 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt, legte diese nicht mehr ab und starb, letztendlich, in Europa als amerikanischer Staatsbürger. Ein Umstand, der, obwohl ursächlich nicht selbst gewählt, doch einen Keil der Entfremdung zwischen Mann und gewisse Kreise in Deutschland auch späterhin trieb. In diesen Jahren in Amerika ging es also durchaus gewichtig um die Frage der kulturellen Identität des Schriftstellers und um den Vorgang einer Entwurzelung, die spürbare Folgen für sein Denken und auch für sein Werk nach sich zog.

Gerade seine vielfachen Mahnungen in Fragen der deutschen Schuld und deutschen Verantwortung zeigen zum einen seine Sicht der Dinge, in der Reaktion aber auch die Schwierigkeiten, mit denen er als einer der größten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts in der Heimat zu kämpfen hatte. Jene "Schicksalsirrtümlichkeit", als die Mann sein erzwungenes Exil betrachtete, führte lange zu einer solitären Stellung Thomas Manns.

Umstände, die durchaus veränderten und Einfluss nahmen, die letztlich aber nicht am Kern des Selbstbewusstseins Thomas Manns rührten. Weltweit aufgestellt finden sich in vielen seiner Äußerungen diese selbstbewusste Haltung eines Mannes wieder, der sich selber auf der "richtigen Seite" wusste. Auch dieses Selbstbewusstsein, im Vorfeld bereits angelegt, ist in dieser Ausprägung Teil seiner Entwicklung in den amerikanischen Jahren. Er wurde zum weltweit geachteten "Repräsentanten deutscher Kultur". Der "anderen" deutschen Kultur-

In vielfachen Betrachtungen, Anekdoten, Begegnungen, in der Betrachtung des Verhältnisses Manns zu Kollegen, zur amerikanischen Kultur, gerade auch zu den amerikanischen Germanisten, aber auch im Blick auf das private Leben Manns in Amerika vollzieht Vaget diese Entwicklung des geachteten Nobelpreisträgers zum internationalen Symbol einer Kultur auf gut 500 Textseiten und einem überbordenden Anhang nach. Der Weg ins Exil, die Auseinandersetzug mit der amerikanischen Politik, seine enge Beziehung zu Agnes Meyer gerade während der Schaffensperiode zu "Dr. Faustus" sind hier ebenso ausführlich einer Betrachtung zugeführt, wie das Verhältnis Manns zum universitären Leben (diverse Ehrendoktorwürden wurden ihm verliehen, Vorlesungen hielt er), aber auch seine spielerischen Verbindungen nach Hollywood. Der Bogen reicht bis hin zu den erwähnten Reibungen und Abstoßreaktionen im Nachkriegsdeutschland mitsamt seiner politischen Kultur, die sich schwer tat mit Thomas Mann, dem Amerikaner.
Fazit
Alles in allem ein umfangreiches Bild der amerikanischen Jahre, sowohl, was die äußeren Stationen angeht, vor allem aber mit einem Schwerpunkt auf die innere Entwicklung Manns, seinen erklärten und gelebten Antinationalsozialismus und sein politisches und künstlerisches Schaffen und Denken. Mit diesem Buch ist eine biographische Lücke beredt und fundiert geschlossen worden. In der Sprache stellt sich Valet als eher trocken und beschreibend dar, weniger als flüssig und romanhaft, vor allem aber als hoch informativ und Querschlüsse der Entwicklung offenlegend.
8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 01. Juli 2011

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