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Natascha Walter: Living dolls

Living dolls

von Natascha Walter
Verlag: S. Fischer [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-8105-2377-8

Preis: 13,95 Euro bei Amazon.de [Stand: 28. März 2024]
Schönheit ist alles, was zählt?

In Amerika ist es bereits Gang und Gäbe, auch in unseren Breitengraden nimmt es zu, dass sich durchaus auch junge Frauen bis jugendliche Mädchen Schönheitsoperationen unterziehen wollen. Ebenso ist der Trend beobachtbar, bereits weibliche Kindern mit Markenmode und High Heels auszustatten. Über die Unsitte amerikanischer Mütter, ganze Wettbewerbe und Modelagenturen mit auf Vamp gebürsteten kleinen Mädchen zu bestücken ganz zu schweigen.

Natascha Walter hat dieses Phänomen aufgegriffen und zum Gegenstand einer breiten und äußerst differenzierten Untersuchung gemacht. Mit einer Vielzahl junger Frauen und jugendlicher Mädchen hat sie Interviews geführt und diese dann auf gemeinsame Nenner hin betrachtet. Mit erschreckendem Ergebnis und ebensolchen Äußerungen von Frauen und Mädchen, die Walter zu dem Schluss bringen, dass eine destruktive Erstarkung des Sexismus in vollem Gange ist.

Früh beginnt diese Determination von Mädchen bereits. Die Fahrt hinauf in den dritten Stock des Kauhauses beschert der Autorin den Zutritt zu einer umwerfenden rot-rosa Welt inklusive Nagelackstudio und einer Boutique für (natürlich rosa) Accessoires. Sie war auf der Ebene des Spielzeuges für Mädchen gelandet.

Im weitere Verlauf des Buches weist Natascha Walter, als Engländerin mit einem Schwerpunkt natürlich auf die Entwicklung in England, minutiös auf, wieweit Mädchen und junge Frauen durch künstliche Bilder weiblicher Schönheit beeinflusst werden.

Das perfide an der gegenwärtigen Situation in den Augen der Autorin ist vor allem, dass dies ein nicht immer völlig bewusster Vorgang ist. Denn im Gegensatz zu den äußeren Auffälligkeiten einer eher entblößenden statt bedeckenden Kleidung, eines verschwenderischen Umgangs mit Make up und, wie erwähnt, einer rasanten Zunahme von Schönheitsoperationen, halten die meisten der Frauen sich durchaus für gleichberechtigt und, vor allem, selbstbestimmt. Offenkundig aber stimmt dies nicht, wenn sich eine Vielzahl, wohl der überwiegende Teil moderner, junger Frauen in weiten Teilen ihres Lebens über ihre äußere Erscheinung definieren und diese breit so gewählt wird, dass sie Männern im Sinne einer sexuellen Anziehungskraft gefallen. Sogar alte, eigentlich als überholt geltende Theorien über einen biologischen Determinismus werden gegenwärtig wieder hoffähig, auch wenn die Autorin solche Weltsichten überzeugend wiederlegt.

Das Buch entfaltet eine eindrucksvolle Kraft und öffnet in vielen Teilen die Augen über einen zunehmenden und auf alle Bereiche übergreifenden Sexismus, zum Glück ohne dass Natascha Walter im Stile einer Feministin nach überholten Ideologien des letzten Jahrhunderts urteilt. Dennoch kann es nicht im Sinne einer sozialen Entwicklung sein, dass Frauen wiederum wie zu mittelalterlichen Zeiten reinweg als sexuelle Objekte reduziert. "Du sollst aussehen wie eine Puppe", berichtet eine Prostituierte und stellt damit klar, dass Männer eine solche künstliche Gestaltungsform natürlich kaum mehr als Menschen sehen. Die aktuellen Vorgänge in Italien zeigen im Übrigen eindeutig auf, wie sehr sich solche gegenseitigen Stilisierungen bereits auf das gesamte der sozialen Gemeinschaft auswirken. Da, wo Ministerposten aufgrund entweder der freizügigen Attraktivität oder aufgrund ehemals sexueller Beziehungen zum Ministerpräsidenten des Landes durch eine klar erkennbare und dem Schema des Buches entsprechende Art von Frauen besetzt werden wird der Idee eine politisch kompetenten Regierung geradezu der Garaus gemacht.
Fazit
Natascha Walter ist ein durchaus fundiertes, auf Berichten junger Frauen beruhendes, Buch gelungen, das nicht nur Frauen aufrütteln sollte. Natürlich geht es im Buch nicht darum, fortwährend als Frau in Sack und Asche zu laufen (das macht die Autorin auch nicht), aber eine Selbstreduzierung auf rein äußerliche Attribute von Kindesbeinen an kann weder Frauen noch Männern noch der Gemeinschaft tatsächlich von langfristigem Nutzen sein. Ein interessantes und wichtiges Buch nicht nur für Frauen.
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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 21. März 2011

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