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Wolfgang A. Gogolin: Karawane des Grauens

Karawane des Grauens

von Wolfgang A. Gogolin
Verlag: BoD - Books on Demand [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-8311-4020-6

Preis: 11,90 Euro bei Amazon.de [Stand: 24. April 2024]
"Niemand geht gerne aufs Amt, Beamte auch nicht. In ironischer Weise ist es Gogolin in seinem Erstlingswerk gelungen, viele Anekdoten aus dem Behördenalltag so perfekt zu einem amüsant-tiefgründigen Roman zu verweben, dass sich der Leser zuweilen vor Lachen auf die Schenkel schlagen möchte. Auch wenn gelegentlich das Lachen im Halse stecken bleiben will, so dicht an der Realität und gleichzeitig irrwitzig absurd scheinen die einzelnen Figuren gezeichnet."

Skizzierte Erzählung wäre für das Buch "Karawane des Grauens" eine treffendere Bezeichnung als Roman. Sachkundig werden Amtsabläufe beschrieben, ohne dass nur eine Minute Langeweile aufkäme, viele der mit Liebe zum Detail geschilderten Erlebnisse kann fast jeder aufgrund eigener, leidvoller Behördengänge nachempfinden. Das Buch macht aber auch Mut, zeigt es doch die menschliche Seite hinter unkündbarer, scheinbar ewig steifer und bürgerfeindlicher Beamtenmentalität. Es gibt Trinker, Spieler und unerträgliche Aufschneider, aber auch Beispiele bemerkenswerten Miteinanders, wenn neben aller Schadenfreude wegen allzu menschlicher Schwächen auch das gelebte Mitgefühl nicht zu kurz kommt.
Trotz der auf den ersten Blick trocken und langweilig anmutenden Thematik Amt und Behörde lässt sich das als Taschenbuch erschienene Werk in einem Zug durchlesen, man möchte die spannende, teilweise auch ein wenig verstörende und unebene Geschichte unbedingt weiterverfolgen.
Der Autor, selbst jahrelang im öffentlichen Dienst tätig, hat keine nur erfundene Fantasiegeschichte aufgeschrieben oder altbekannte Beamtenwitze nacherzählt, sondern kann auf eigene, komische und leidvolle Erfahrungen in diversen Behörden zurückblicken und tut das in höchst origineller Weise, dabei keineswegs immer politisch korrekt. Sexuelle Verklemmungen und Frauenbeauftragte werden in Gogolins fiktivem, aber fachkundigem Blick hinter die Amtskulissen lustvoll böse und bewusst intolerant aufs Korn genommen, ein intellektuelles Lesevergnügen!
Nach der Lektüre wird jeder Leser mit Sinn für schrägen Humor sein eigenes Amt um die Ecke mit völlig anderen Augen sehen. Und Beamtenwitze mit völlig anderen Ohren hören.

Ein Buch soll mich gekonnt unterhalten und mich vielleicht mit etwas Tiefgang fordern. Beide Kriterien erfüllt die Karawane des Grauens. Es handelt sich um einen Krimi, der in Amtsräumen spielt. Schon am Anfang gibt es eine Tote und zwei Ermittlungsbeamte versuchen, den oder die Schuldige zu ermitteln. Dazu werden die einzelnen Bediensteten befragt und dem Leser werden Lebensläufe, Vorlieben und Macken der einzelnen Mitarbeiter offenbart. Sogar schonungslos offenbart, wimmelt es doch unter Ihnen nur so von Karrierehengsten, Spielern, Liebeskranken und schlichten Versagern.
Entsprechend viel Arbeit wartet auf die Polizisten, denn natürlich will niemand etwas mit dem Tod der Kollegin zu tun haben. Jeder versucht, mit nicht nur vagen Andeutungen über den Lebenswandel der Mitbeamten sich selbst aus der Schusslinie zu bringen. Dabei tritt auch schier Unglaubliches über das Arbeitsleben im öffentlichen Dienst zutage. Ich verrate nicht zuviel, wenn ich andeute, dass der Tod der Beamtin tatsächlich geklärt wird, denn eigentlich ist die Mordgeschichte nur vordergründig. Ein roter Faden, ein dünner.
Schon in der ersten Buchhälfte wird ein Hamburger Amt beschrieben, in das missliebige oder kranke Beamte abgeschoben werden. Daher hat das Amt behördenintern und auch das Buch seinen eigentümlichen Namen bekommen: Karawane des Grauens.
So eine Behörde entwickelt natürlich ein nicht gerade bürgerfreundliches Eigenleben, was sich ausgesprochen amüsant liest und Fans von Beamtenwitzen auf ihre Kosten kommen lässt. Halb totgelacht habe ich mich an der Stelle, wo moderne Managementmethoden (‚neues Steuerungsmodell') eingeführt und Bürger als wichtige Kunden betrachtet werden sollen - das hätte man kaum witziger beschreiben können.
Unsägliche Personen und unvorstellbare Einzelgeschichten werden dem Leser präsentiert. Mir ist klar geworden, dass ich nicht an Wahrnehmungsstörungen gelitten habe, als mir mal wieder ein Amtsträger treuherzig versicherte, nicht zuständig zu sein und ich mich im Irrenhaus ohne Gitterfenster wähnte.
Zur Mitte hin kippt die Stimmung im Buch, es geht nicht mehr zu wie in Beamtenwitzen, auch wenn die nicht fehlen. Es wird menschlich. Nach und nach wird deutlich, dass die Tote und der extra zum Aufräumen aus Bayern herangekarrte Amtsleiter ernste soziale und psychische Probleme hatten. Alle anderen auch.
Gogolin hat sehr schön herausgearbeitet, in welchem Ausmaß Einrichtungen wie Suchtbeauftragte, Frauenbeauftragte und auch Personalräte nur eine einzige Funktion haben: Den Schein zu wahren. Den Anschein, als würde tatsächlich etwas getan für Schwache, Kranke oder Benachteiligte. Während in Wirklichkeit aber nichts dergleichen geschieht und Betroffene zusammen mit denen, die wirklich helfen wollen, in die Pfanne gehauen werden. Das könnte in jedem privat geführten Unternehmen genau so ablaufen.
Fazit
Die Karawane lässt sich flüssig lesen, nicht nur in den komischen, sondern auch in den eher tragischen Passagen. Formulierungen wie "Das erfüllte seine Brust mit Stolz" statt einfach nur "Er war stolz" fand ich anfangs ungewöhnlich. Aber eigentlich passen sie zur beschriebenen, gernegroßen Person.
Krimi - Beamtenwitz - Tatsachenreportage. Diese drei Dinge wohl verwoben beinhaltet das Werk mit dem Wüstenbild auf dem Titel. Ein seltsames Gefühl zwischen erkennendem Grinsen und ohnmächtig-hilfloser Wut beschlich mich beim Lesen. Ich fühlte mich dank lebendiger Schilderung zugehörig zur grauenvollen Karawane.
Wenn ich beim nächsten Behördenbesuch als lästiger Bittsteller abgefertigt werde, werde ich nicht mehr neidisch sein auf unkündbare Beamte, sondern werde einfach denken: Du kleines Kamel in der Karawane des Grauens!
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Vorgeschlagen von Jens Dau [Profil]
veröffentlicht am 13. Mai 2003

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