Am 6. August 2025 jährte sich der Abwurf der ersten Atombombe auf die
japanische Stadt Hiroshima zum 80. Male, ebenso der Angriff auf die Stadt
Nagasaki am 9. August. Der renommierte britische Historiker Richard Overy nimmt
diese Ereignisse zum Anlass, die historische Entwicklung genauer zu betrachten.
Gleichzeitig erleben wir ein Szenario, in der unverhohlene Drohungen zum Einsatz
nuklearer Waffen ein Comeback erleben. Das bislang Undenkbare rückt ins
Blickfeld. Das vorliegende Buch von Overy ist somit keineswegs nur ein
historisches Rückblickswerk, sondern nutzt die Chance, eine Mahnung für die
Zukunft zu zeichnen.
Inhaltlich beleuchtet Richard Overy die Frage: Wie wurde die Atombombe möglich?
Dabei spielt die Betrachtung des Luftkriegs im Pazifik eine wesentliche Rolle.
Bereits vor dem Einsatz der Atombombe kam es zu exakt geplanten
Flächenbombardements, die ein gigantisches Maß an Zerstörung verursachten und
überdies eine immens hohe Zahl an Toten und Verletzten auch in der
Zivilbevölkerung mit sich brachten. Der hiermit verbundene Versuch, die Moral
der Zivilbevölkerung zu brechen und den Druck auf die politische Führung in
Japan zu erhöhen, schlug indes fehl.
Somit rückte in den USA die Entwicklung einer Atombombe in den Fokus. Die
Fortentwicklung wird skizziert und die Diskussion über den möglichen Einsatz
nachgezeichnet. Die Sicht auf das Kriegsszenario beleuchtet Overy aus der
Perspektive der Kombattanten: der Alliierten mit Schwerpunkt des
US-amerikanischen Vorgehens und darüber hinaus auch die Betrachtungen in Japan.
Es wird deutlich: Nicht nur die unterschiedlichen politischen Positionen
spielten eine Rolle, sondern auch die kulturellen Unterschiede. Dieser Vergleich
führt zu weiteren hochinteressanten Erkenntnissen. Abschließende Reflexionen
über die Nachwirkungen runden das Werk inhaltlich ab.
Fazit
Richard Overy gelingt mit seinem vorliegenden Buch in mehrfacher Hinsicht ein
großer Wurf. Es ist nicht nur ein aus meiner Sicht exzellenter Beitrag zur
geschichtswissenschaftlichen Forschung, sondern es eröffnet durch die
Betrachtung der unterschiedlichen kulturellen Voraussetzungen neue Blickwinkel,
die in dieser Form bislang weniger ins Blickfeld gelangten. Brillant
recherchiert, mit gesicherten Zahlen statistisch unterlegt und auf kompaktem
Umfang verständlich vorgestellt. Nicht zuletzt: Auch die historische Dimension
wird umfassend dargestellt und kommentiert. Es erhebt sich -geradezu zwingend-
die Frage nach den Konsequenzen für das Handeln heutiger Tage.
Der Autor selbst bringt es abschließend treffend auf den Punkt: "Die
Schlussfolgerung aus den Bombenangriffen auf Japan im Jahr 1945 besteht nicht
darin, zu verstehen, ob sie notwendig waren oder nicht, sondern zu verstehen,
warum man sie damals für notwendig hielt. Die Gründe zu erkennen, warum es
1945 schrittweise zu einer solchen Radikalisierung kam und warum man dabei
fragwürdige moralische Relativierungen vornahm, um einen rücksichtslosen
totalen Krieg zu rechtfertigen, könnte durchaus ein wichtiger Beitrag sein, um
eine Wiederholung in Zukunft zu vermeiden." (vgl. S. 190).
Ein wichtiger Beitrag nicht nur zu einem historischen Gedenktag, sondern ein
Denkanstoß für aktuelle Fragestellungen.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 16. Oktober 2025 2025-10-16 18:54:43