Hartmut Rosa, Soziologe von Rang im deutschsprachigen Raum (und nicht Pfarrer
oder Kirchenoberer bestimmter Coleur), legt in diesem schmalen Band gewichtige
Argumente vor. Nicht nur, dass Demokratie und Religion in engem Zusammenhang
stehen, historisch und aktuell, sondern auch, was man an den aktuellen
Entwicklungen "weg" von Demokratie und "schnell weg" von
Religion an kulturellen Veränderungen und Gefahren ablesen kann.
Mit dem Zentrum, dass das Kommunikative, das Gemeinsame, das Kooperative als
Wert nicht nur abstrakt oder theoretisch wichtig zu betrachten wäre, sondern
ganz handfest und ganz praktisch jener Kitt sind, der Gesellschaften
zusammenhält oder eben, bei Mangel an diesen "Fertigkeiten",
Gesellschaften auseinanderdriften, gegeneinanderstehen lässt, Spannungen,
Reibungen und Kompromisslosigkeit einander gegenüber zur Folge hat. Und nicht
zuletzt sogar das Individuum vereinsamen lässt. Mit erheblichen Folgen für das
gesamte Gefüge und alle Menschen des Sozialraums.
Es braucht eine "Resonanz" in der Gesellschaft für die
"weichen" Werte der Gemeinschaft, der Kooperation, der Toleranz
mitsamt einer klaren Werteentscheidung für diesen, vor allem im Lauf der
Geschichte ja religiös geprägten Weg, um eine konstruktive Zukunft überhaupt
zu ermöglichen.
Und es waren diese unausgesprochenen Übereinkünfte im Privatleben, im
nachbarschaftlichen Umgang, im ehrenamtlichen Engagement, in Vereinen, Parteien,
in einer Ethik des Umgangs miteinander als "verbundenen Gesellschaft"
inmitten aller unterschiedlicher Lebensentwürfe, die eben auch zu tun haben mit
der "Besinnung", dem "Blick auf sich selbst", dem
"Gewiesen sein an Gemeinschaft", die durch die christliche Religion
prägend für die Zivilisation des "Abendlandes" war.
Auch wenn der Begriff der "Entfremdung" durchaus rein philosophisch
und in Teilen atheistisch im Lauf der Geistesgeschichte betrachtet wurde, am
Ende stammt das Problem der "Entfremdung" im Kern der christlichen
Religion und wird doch grundlegend als Zentrum von "Sünde" begriffen.
Mitsamt jener "Freiheit", die ebenfalls christlich für das Individuum
postuliert wurde (vor allem in der Reformation) und aktuell zu sehr
"ungebunden" verstanden wird. Der "Freiheit von etwas" (von
allem, was einem nicht passt) fehlt die religiöse Verankerung eines zugleich
"Freiheit für etwas", für das Gestalten einer freiheitlichen
Gemeinschaft. In der zwar "alles gestattet ist", theoretisch, aber
eben nur verbunden damit, dass "nicht alles zum Guten dient". Erst
beides in einem, frei sein für sich und eingebunden sein in eine Gemeinschaft
mit allen, hat zu jener freiheitlichen Lebensordnung geführt, die eine stabile
Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg hervorgebracht hat und nun allüberall
ins Wanken gerät.
"Klar ist aber auch, dass das Herz möglicherweise nicht hört". Und
jene "Resonanz", die das Geistige, das Verbindende, das
"Schöne" rufend mit auf den Weg gibt eben nicht wahrnimmt oder sich
aktiv dagegen verschließt.
Fazit
Dies führt am Ende zu einer, wie Roa es ausdrückt, "rasenden Gesellschaft
im Stillstand". Rasend in den äußeren, technischen Notwendigkeiten und
Gelüsten nach materieller Versorgung und Vergnügen, mit einem Stillstand in
der "Reifung" und dem "Kooperativen", die inzwischen an
nicht wenigen Orten als feindlich gar angesehen werden. Dass ein innehalten
nicht in Mode ist, sorgt dafür, dass eine Resonanz nicht ankommen und nicht
wirken kann.
Den ganzen Vortrag hält Rosa dabei nicht in giftigem, wertendem oder
angreifendem Ton und auch nicht in stillem Bedauern, sondern sachlich, klug und
nachvollziehbar. So dass das schmale Buch durchaus, wenn man es in Ruhe bedenken
kann, eine Resonanz hervorruft. Und zugleich eine treffende Analyse der Gründe
für das zu beobachtende Auseinanderdriften vor Augen stellt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 09. Juli 2025 2025-07-09 15:19:02