Von den Risiken der KI und des virtuellen Lebens
In der gegenwärtigen Diskussion über Nutzen, Gefahren, Möglichkeiten und
Risiken der rasant fortschreitenden KI-Möglichkeiten (bei denen Chat-GPT ja nur
einen Aspekt darstellt, auch wenn gerade dieses Programm am sichtbarsten Vor
Augen gerade steht) fühlt man sich fast ein wenig an andere Diskussionen wie
z.B. die Klimafrage erinnert.
Bielen Mahnern (zu rechten Zeit noch) stehen ebenfalls laute Stimmen der
Verharmlosung gegenüber. Und allen gemeinsam ist sicherlich eine je eigene
Perspektive und Motive für die entsprechende Haltung.
Wenn aber klar ist, dass selbst die "Erfinder" von KI Applikationen
deutlich warnen, wenn an sich schon die Konzentration "digitaler
Macht" in den Händen weniger Großkonzerne liegt, dann ist ein solches
Buch wie diese von Joachim Bauer wichtig zu lesen. Um differenziert der
"neuen Welt" einigermaßen gerüstet gegenüberzutreten. Denn jene
"digitale Inbesitznahme des Menschen", die er überzeugend beschreibt,
ist ja, wenn man ehrlich ist, schon am eigenen Verhalten und im eigenen Leben
massiv zu beobachten.
Dabei verfällt Bauer nicht in plakativen oder populistischen Katastrophismus,
sondern bleibt im Ton differenziert und nüchtern und lässt am Ende die Fakten
der KI-Möglichkeiten sprechen. Wobei das schon reicht für ein deutliches
Unbehagen bei Lesern und Leserinnen.
"Wenn wir sie als Werkzeuge benutzen, anstatt uns zu ihren Werkzeugen
machen zu lassen, können digitale Produkte unser Leben bereichern. Dich wird
sind dabei, den Kipp-Punkt zu überschreiten".
Denn schon längst hat es begonnen, das analoge, reale, zwischenmenschliche
Realitäten durch digitale Räume, Kommunikationsmodelle und
"AI-Erlebniswelten" das menschliche Handeln, dessen Grundlage, die
Fakten und das Erleben von Realität bald mehr prägen, als primäre Erfahrungen
in der Realität.
"Man hilft uns beim Gehen, bis wir nicht mehr gehen können".
Und das, man kann es nicht oft und laut genug betonen, in erster Linie gesteuert
von Machtinteressen und Geschäftsmodellen, nicht aus Haltungen der Wohlfahrt
den Menschen gegenüber.
Wobei für die Motive hinter den Geschäften und der "digitalen
Religion" das Kapitel über den "digitalen Narzissmus" im Buch
sehr ans Herz zu legen ist. Denn in der Verbindung von "apokalyptischem
Denken" und "Weltrettung" zumeist eben durch die eigene Person
oder eigene "Firma" sind jene Grundstrukturen von Narzissmus rege zu
erkennen, die schon einzelne Menschen im Alltag zu einer Belastung werden lassen
können, die aber potenziert hervortreten, wenn es ultra-reiche Menschen sind
und fast monopolartige Firmen, die in vielen Fällen still im Hintergrund
beginnen, alle Fäden zu ziehen und zu bestimmen.
Mitsamt der Folge, in den sozialen Netzwerken sehr klar und offenliegend zu
beobachten, dass eine immer größere Unfähigkeit, sich realen Beziehungen zu
stellen und sich und andere durch reale Begegnungen kennenzulernen, immer
rasanter und tiefer um sich greift.
Das ist die Crux, dass der Mensch sich (scheinbar zunehmend) nicht gerne
anstrengt, wenn es sich vermeiden lässt (und reale, echte soziale Beziehungen
sind auch anstrengend und setzten Aktivität voraus) und die digitale Welt
einfacher zu habende "Ersatzerlebnisse" zu Hauf inzwischen anbietet
(was allein schon die Pseudo-Realität von Videospielen angeht).
Fazit
Schritt für Schritt (zer-) legt Bauer die "schöne neue Welt" der
digitalen Errungenschaften vor die Augen von Lesern und Leserinnen und erzeugt
am Ende nicht nur ein mulmiges Gefühl, sondern auch eine differenzierte Sicht
auf die eigene Neigung, gegen vermeintliche Bequemlichkeit anstrengende
persönliche Herausforderungen eine "schnelle Lösung" zu finden.
Für allerdings, dass ist nach der Lektüre völlig klar, einen hohen Preis.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 20. Juni 2023 2023-06-20 13:37:27