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Joachim Bauer: Realitätsverlust

Realitätsverlust

von Joachim Bauer
Verlag: Wilhelm Heyne Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-453-21853-6

Preis: 22,00 Euro bei Amazon.de [Stand: 26. April 2024]
Von den Risiken der KI und des virtuellen Lebens

In der gegenwärtigen Diskussion über Nutzen, Gefahren, Möglichkeiten und Risiken der rasant fortschreitenden KI-Möglichkeiten (bei denen Chat-GPT ja nur einen Aspekt darstellt, auch wenn gerade dieses Programm am sichtbarsten Vor Augen gerade steht) fühlt man sich fast ein wenig an andere Diskussionen wie z.B. die Klimafrage erinnert. Vielen Mahnern (zu rechten Zeit noch) stehen ebenfalls laute Stimmen der Verharmlosung gegenüber. Und allen gemeinsam ist sicherlich eine je eigene Perspektive und Motive für die entsprechende Haltung.

Wenn aber klar ist, dass selbst die "Erfinder" von KI Applikationen deutlich warnen, wenn an sich schon die Konzentration "digitaler Macht" in den Händen weniger Großkonzerne liegt, dann ist ein solches Buch wie diese von Joachim Bauer wichtig zu lesen. Um differenziert der "neuen Welt" einigermaßen gerüstet gegenüberzutreten. Denn jene "digitale Inbesitznahme des Menschen", die er überzeugend beschreibt, ist ja, wenn man ehrlich ist, schon am eigenen Verhalten und im eigenen Leben massiv zu beobachten. Dabei verfällt Bauer nicht in plakativen oder populistischen Katastrophismus, sondern bleibt im Ton differenziert und nüchtern und lässt am Ende die Fakten der KI-Möglichkeiten sprechen. Wobei das schon reicht für ein deutliches Unbehagen bei Lesern und Leserinnen.

"Wenn wir sie als Werkzeuge benutzen, anstatt uns zu ihren Werkzeugen machen zu lassen, können digitale Produkte unser Leben bereichern. Dich wird sind dabei, den Kipp-Punkt zu überschreiten".

Denn schon längst hat es begonnen, das analoge, reale, zwischenmenschliche Realitäten durch digitale Räume, Kommunikationsmodelle und "AI-Erlebniswelten" das menschliche Handeln, dessen Grundlage, die Fakten und das Erleben von Realität bald mehr prägen, als primäre Erfahrungen in der Realität.

"Man hilft uns beim Gehen, bis wir nicht mehr gehen können".

Und das, man kann es nicht oft und laut genug betonen, in erster Linie gesteuert von Machtinteressen und Geschäftsmodellen, nicht aus Haltungen der Wohlfahrt den Menschen gegenüber. Wobei für die Motive hinter den Geschäften und der "digitalen Religion" das Kapitel über den "digitalen Narzissmus" im Buch sehr ans Herz zu legen ist. Denn in der Verbindung von "apokalyptischem Denken" und "Weltrettung" zumeist eben durch die eigene Person oder eigene "Firma" sind jene Grundstrukturen von Narzissmus rege zu erkennen, die schon einzelne Menschen im Alltag zu einer Belastung werden lassen können, die aber potenziert hervortreten, wenn es ultra-reiche Menschen sind und fast monopolartige Firmen, die in vielen Fällen still im Hintergrund beginnen, alle Fäden zu ziehen und zu bestimmen.

Mitsamt der Folge, in den sozialen Netzwerken sehr klar und offenliegend zu beobachten, dass eine immer größere Unfähigkeit, sich realen Beziehungen zu stellen und sich und andere durch reale Begegnungen kennenzulernen, immer rasanter und tiefer um sich greift. Das ist die Crux, dass der Mensch sich (scheinbar zunehmend) nicht gerne anstrengt, wenn es sich vermeiden lässt (und reale, echte soziale Beziehungen sind auch anstrengend und setzten Aktivität voraus) und die digitale Welt einfacher zu habende "Ersatzerlebnisse" zu Hauf inzwischen anbietet (was allein schon die Pseudo-Realität von Videospielen angeht).
Fazit
Schritt für Schritt (zer-) legt Bauer die "schöne neue Welt" der digitalen Errungenschaften vor die Augen von Lesern und Leserinnen und erzeugt am Ende nicht nur ein mulmiges Gefühl, sondern auch eine differenzierte Sicht auf die eigene Neigung, gegen vermeintliche Bequemlichkeit anstrengende persönliche Herausforderungen eine "schnelle Lösung" zu finden. Für allerdings, das ist nach der Lektüre völlig klar, einen hohen Preis.
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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 20. Juni 2023

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