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Andreas Urs Sommer: Nietzsche und die Folgen

Nietzsche und die Folgen

von Andreas Urs Sommer
Verlag: J.B. Metzler Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Philosophie
ISBN-13 978-3-476-02654-5

Preis: 19,99 Euro bei Amazon.de [Stand: 28. März 2024]
Differenzierte und vielseitige Darstellung

"Nitzsches Welt", "Nitzsches Nachwelt", "Nitzsches Zukunft" - Das sind die drei Hauptteile der sehr flüssig zu lesenden, fundierten und überaus differenzierten Darstellung, mittels derer sich Andreas Urs Sommer diesem streitbaren, wuchtigen Philosophen mit der, letztendlich, dramatischen Lebensgeschichte und der breiten Wirkung seiner Gedanken und Erkenntnisse zuwendet. Und ohne Einleitung oder andere, hinführende Worte wendet sich Sommer umgehend der Person zu und verweist ebenso umgehend zu Beginn auf die fast erstarrten Bilder, die von Nietzsche "geistern" und, nicht selten, den konkreten Blick auf die konkrete Person und deren Werk versperren.

"Der, hinter dessen Schnauzbart das halbe Gesicht verschwindet? Es scheint jedenfalls, als sein in der Wahrnehmung seiner Nachwelt dieser Schnauzbart immer weiter gewachsen, so dass am Ende der Schnauzbart alleine übrig blieb: das markante Schnauzbartgesicht reduziert auf markante, markige Worte, wie das vom Weibe und der Peitsche oder das vom Willen zur Macht und das vom Übermenschen".

Dieser Einseitigkeit der Betrachtung mitsamt der damit einhergehenden Reduzierung von Person und Werk auf Schlagworte setzt Sommer eine differenzierte und sorgfältige Spurensuche entgegen, innerhalb derer Begriffe wieder geschäft, Die Prägungen der Person erkennbar und Mann und Werk sichtbar werden.

"Er scheint ein Denker zu sein, der dazu einlädt, dass man ihn vereinseitigt".

Wohl auch mit Absicht, denn Sommer legt ebenfalls im Werk dar, dass und wie Nitzsche selbst ein "Meister des sich Entziehens" war. Einer, der schon in der von ihm gewählten Sprache immer neu ansetzte, sich bekannten Formen entzog. Und das als System, denn wie ein pädagogisches Ziel war Nitzsche auch davon motiviert, "frische Luft" in die Denkapparate seiner Leser durch besonders gewählte Formen des Ausdrucks hinein zu "pusten". Auch so ist sein "neuer Anfang in "historischen Philosophiren"" zu lesen und zu verstehen. Mitsamt dem Kernanliegen Nitzsches, dem "Experiment zur Umwertung". Das Sommer verständlich darstellt und in dessen Kontext die "Ermordung Gottes" und "Zarathustra" gut zu verstehen sind.

Und bei all dem vergisst Sommer nie den Blick auf das "menschlich-allzu menschliche", auf eine gewisse "Leichtigkeit des Seins" bei Nitzsche, dass er interessant gegenspiegelt in der "Nachwelt" mit ihrem vielleicht "zu ernsten" politischen, künstlerischem, philosophischen "Nachbetrachten" mitsamt des "Wort- und Ernstzerfalls", der ebenso zur Rezeption des Werkes dann gehört. Ironie und Heiterkeit, das legt Sommer überzeugend vor Augen, gehörten ebenso zur Person wie Wucht und Lust an der (zumindest gedanklichen) Zerstörung althergebrachter Überzeugungen und Traditionen. Durchaus in Nitzsches Sinne, wenn dieser schon 1848 betonte, ihm mache "der Gedanke Schrecken, was für Unberechtigte und gänzlich Ungeeignete sich einmal auf meine Autorität berufen werden". Eine Gruppe, zu der Andreas Urs Sommer nicht gehört, das ist am Ende der Lektüre klar und deutlich.
Fazit
Ein Werk, dass seine selbst auferlegte Aufgabe erfüllt. Im Blick auf Nitzsche ein intuitives "Reit-Reaktions-Schema" zu vermeiden, einen Schritt je zurückzutreten und sich damit blinder "Hauptlehren-Reaktionsmuster" zu entziehen.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne
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veröffentlicht am 03. April 2018

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