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Annie Bertram: Wahre Märchen

Wahre Märchen

von Annie Bertram
Verlag: ubooks verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Fantasy
ISBN-13 978-3-86608-094-2

Preis: 12,18 Euro bei Amazon.de [Stand: 25. April 2024]
Als Sammler von Märchenbüchern, freut man sich immer wieder über alte Märchenbücher, in der Hoffnung neue Märchen, unbekanntere Märchen zu finden. Genau so geht es einem jedoch, wenn man über die Leipziger Buchmesse schlendert, mit dem Verlagsleiter von Ubooks, Andreas Reichart spricht und plötzlich etwas vor die Nase gehalten wird mit den Worten: Ich habe da etwas für Dich. Da bekommt ein alter Mann wie ich nicht nur glänzende Augen. Und diese eher deshalb weil man Tränen in den Augen hat und feststellt, jetzt wäre ich gern noch mal zwanzig Jahre jünger. Phantastische Bilder mit sehr schönen Damen erfreuen das Auge und gerade die Dame auf Seite 92, einem Schneewittchen gleich, bringt Männerherzen zum schneller schlagen. Dabei ist es die Prinzessin aus der Geschichte Der Vogel und die Prinzessin. Aber das sind Männerphantasien. Darum geht es nämlich nicht.
Das wahre Ziel der Begierde sind die neu erzählten Märchen, die im gebundenen Foto-Bildband enthalten sind. Die Fotos wurden extra zu den Märchen fotografiert. Beides zusammen, die Neuerzählungen und die Fotos ergeben ein homogenes Ganzes, das man gern in der Hand hält. Es scheint so zu sein, als ob die Orte, an denen die Fotoshootings stattfanden extra dafür gebaut wurden. Doch bin ich eher der Meinung, die Orte gab es schon, als noch niemand daran dachte die Modelle in die Welt zu setzen. Aber wie auch immer, die Aufnahmen sind gelungen, ob Totale oder Ausschnitt, jedes Bild ist geprägt von einer fesselnden Schönheit.
Dies sind Märchen, die wieder dem alten Anspruch Geltung verschaffen. Hier ist Gut noch gut, hier ist Böse noch böse und kein erzählerischer Graubereich. Die Bilder sind in der überwiegenden Zahl farbig gehalten, obwohl mir das eine oder andere in schwarz-weiss-Technik ebensogut gefiel.
Es war einmal eine junge wunderschöne Meerjungfrau, die berühmte Rhinelde. Autorin Jeanine Krock, bekannt aus dem Bücherbrief 494, schrieb die Geschichte nieder. Es ist die Liebesgeschichte der kleinen Meerjungfrau, die sich in eine liebliche Prinzessin verliebt. So viel Liebe und dann kommt die böse Hexe. So richtig schön romantisch.
Die Geschichte von Rosalind Rotkäppchen wird von Nicolaus Equiamicus erzählt. Eine gelungene Umsetzung des bekannten Märchen in eine Werwolfsgeschichte. Erstaunlich wozu ein erfolgreicher Sachbuchautor fähig ist. Der Umgang mit der Sprache ist hervorragend und passt sehr gut zur Geschichte. Die Fotos in Farbe wie Schwarz-Weiss, ergänzen das Märchen in wichtigen Szenen.
Dirk Bernemann greift die Geschichte von Hänsel und Gretel auf. Die Geschwister leben in einer Plattenbausiedlung. Mutter Alkoholikerin, Vater arbeitslos. Super Gesellschaft. Da wäre es besser, wenn die Kinder nicht mehr zuhause wären. Eine sehr böse Gesellschaftskritik.
König Drosselbart wird von Marion Altwegg neu erzählt. Oder besser gesagt, die Geschichte wird weiter erzählt. Eine düstere Fortsetzung um einen König im Wahn.
Elena Restayn, von der ich noch nichts gelesen habe, überzeugte mich durchaus auf Anhieb. Ihre Version des Schneewittchen wird aus der Sicht der bösen Königin erzählt. Aber mal ehrlich, aus ihrer Sicht ist Schneeflittchen das ungezogene Gör.
Der Schneekönig von Jana Krivanek ist die Erzählung von Gerda, einer Frau mit paranoider Schizophrenie. Gerda glaubt sie sei die Frau des Schneekönigs doch die Wirklichkeit kommt nur ganz langsam heraus. So langsam, dass es erst am Schluss geschieht.
Der Vogel und die Prinzessin. Yasha Young schreibt ein Märchen, wie ein Märchen sein muss. Es war einmal, sanft und weich beginnt es und friedlich endet es. Und hier ist auch wieder das Bild, das ich so fesselnd finde.
Christian von Aster, der erst vor kurzem mit zwei Büchern über Zwerge bei Piper auffiel, erzählt die Geschichte des Mädchens mit den Schwefelhölzern aus Sicht eines Streichholzes. Sehr Eindrucksvoll, vor allem wenn man den Satz liest: "Doch bitte ich euch, lasst eure Kanonen, eure Dampfmaschinen schweigen. Haltet inne und lasst uns eines anderen Feuers gedenken. Zumindest heute Nacht." So einen Satz hätte ich vom Autor nicht erwartet. Wie gesagt. Eindrucksvoll.
Die nächste Erzählung trägt den Titel Die Roten Schuhe und wurde von Andreas Kurz geschrieben. Stinkelingpief ist ja wohl die Metropole in der sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen würden, wenn sie diese Metropole finden würden. Karen hat jedoch das zweifelhafte Glück dort zu wohnen und ein paar rote Schuhe.
Dornröschen von Dirk Bernemann ist genauso gelungen wie sein Hänsel und Gretel. Die Eltern von Dornröschen zu einem Sozialpädagogen und einer Realschullehrerin zu machen ist sicherlich nicht alltäglich. Sie zeigt aber auch, das die alten Märchen im modernen Gewand immer noch wirken.
Jeanine Krock erzählt das Märchen von Rapunzel und lässt alte Kindheitserinnerungen wieder aufleben.
Fazit
Wenn also das Dornröschen mit seinen langen Haaren am Turmfenster schläft und sie herunterwachsen, dass ein Prinz hinauf klettern kann, nennt er seine Angebetete Rapunzel, weil er das Namensschild nicht lesen konnte. Er schenkt ihr nach einem inniglichen Kuss ein paar rote Schuhe, die für Aschenputtel bestimmt waren, aber von deren Schwestern so mit Blut versaut wurden, dass sie rot wie Blut aussahen. Nur Schneewittchen hätte damit etwas anfangen können, weiss wie Schnee und schwarz wie Ebenholz. So aber gingen die beiden unerkannt als Hans und Greta die Treppe im Turm herunter, setzten sich in die Kutsche die zufällig vorbei fuhr und einen Haufen Autorinnen und Autoren zu einem Fotoshooting brachten. Um nicht aufzufallen gaben sie sich als Fotomodelle aus. Als koksendes Modell erzählte das Mädchen sie sei Rotkäppchen, erkennbar an der roten Mütze, die passend zu den Schuhen auf ihrem Kopf sass und ihr Freund sei der Schneekönig Drosselbart. Weil aber niemand dem frisch rasierten Modell die Aussage abnahm, wurden sie aus der Kutsche geworfen. Ein Bett im Kornfeld nutze der Prinz und vögelte die Prinzessin, bis ihnen das Mädchen mit den Schwefelhölzern etwas einheizte.
Auf diese Weise sind jetzt alle Märchen erwähnt. Mögen Euch noch andere einfallen. Bis dahin nehmt das Buch noch einmal in die Hand, seht euch die Bilder noch einmal an und lasst euch zu neuen Märchen anregen.
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Vorgeschlagen von erik schreiber [Profil]
veröffentlicht am 07. Juli 2009

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