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Eberhard Zeller: Oberst Claus Graf Stauffenberg. Ein Lebensbild

Oberst Claus Graf Stauffenberg. Ein Lebensbild

von Eberhard Zeller
Verlag: Ferdinand Schöningh Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Biografie
ISBN-13 978-3-506-76561-1

Preis: 29,90 Euro bei Amazon.de [Stand: 28. März 2024]
Sie wollten in einer außerordentlichen Lage, in der große Leiden die Völker dafür reif gemacht hatten, bevor wieder Verkrustung drohte, mit ihrer Erhebung zugleich für neue Formen des staatlichen Lebens und des Sich-Zusammenfindens der Völker die Bahn brechen. Dieses Bekenntnis wurde durch eine Tat fast Realität. Aus einem Gesamt der menschlichen Kräfte her sollte gestaltend in die zum Ungeist, zur Unfreiheit und Sklaverei fortreißenden Entwicklungen des technischen Jahrhunderts und damit auch in die Entwicklung des Nationalsozialismus eingegriffen werden. Dies ist die Wertung des Widerstandes durch den Autor Eberhard Zeller, der als einer der ersten Kenner der Geschichte des 20. Juli und Bekannter der Brüder Stauffenberg ihre Geschichte niederschrieb.

Es gibt viele Bücher über Stauffenberg, den Attentäter des 20. Juli, aber eben nur eines, über das seine Witwe Nina Gräfin von Stauffenberg gesagt hat: "Das Bild meines Mannes ist mir aus anderen Veröffentlichungen fast hinter einer Wand verschwunden. Bei Zeller fand ich ihn wieder." Das hier vorliegende Buch ist nun auch eine sehr persönliche Studie über die Person Stauffenbergs. Sie betont die Grundauffassung des Attentäters, nur aus einer Selbstsühnung heraus einen fruchtbaren Frieden und ein neues staatliches Leben stiften zu können. So nur würden die Deutschen ihre innere Freiheit, ihre eigenes Bild zurückgewinnen können - um es mit dem altrömischen Wort zu sagen, die Übereinstimmung mit ihren Göttern und Genien, die sie durch ihr Tun geschändet hatten.

Zellers einfühlsame Biographie über den Motor des militärischen Widerstandes gegen Hitler ist das einzige große Lebensbild mit wissenschaftlichem Anspruch, das Stauffenberg so zeigt, wie Familie, Freundeskreis, dienstliches Wirkungsfeld und der Bund der Mitverschworenen gegen Hitler, von Beck bis Tresckow, ihn erlebt haben. Ein Buch, das allen, die sich je gefragt haben: "Wer war dieser Stauffenberg?", die Faszination und außergewöhnliche Ausstrahlung dieses Mannes so nahe bringt, wie es überhaupt nur möglich ist. Zeller beschreibt insbesondere den "Geist der Freiheit", der die Empörer des 20. Juli trieb. Wer nicht in einer Atmosphäre der Freiheit zuhause ist, die unantastbar und unberührbar bleibt, allen äußeren Mächten und Zuständen zum Trotz, der ist für ihn verloren. Der ist aber auch kein richtiger Mensch, sondern Objekt, Nummer, Statist, Karteikarte. Genau das war Stauffenberg nicht.

Im Gegenteil. Sein intensives Bemühen, um den Menschen bodenständig zu machen, gewissenhaft, urteilsfähig sowie das Bestreben zur Erziehung zur Transzendenz und Immanenz, die Verschränkung der Sphären als echte Ordnung der Dinge - als deutsche Ordnung - dies war das Fernziel des Attentats. Es geschah vor dem anthropologischen Bild, daß der Mensch anzuleiten sei, sich selbst als Ordnungsentwurf ernst zu nehmen und zu deuten und zu befolgen. Dieser existenziale Humanismus ging davon aus, daß die Masse den durchschnittlichen Typus des "einen" Deutschlands vertritt. Das "andere" und wahre Deutschland sei kaum vertreten und werde zum Tode verurteilt im Geplänkel oberflächlichen Geredes. Genau dies abzuwenden, darin liege der Auftrag.

Zellers Werk ist eine faszinierende Biographie, deren Inhalt ebenso beeindruckt wie ihr großartiger Stil. Man findet in ihr ein deutsches Streiten um Ideen und Lehrsätze dargestellt, die sich in Hinwendung auf ein verpflichtendes Ziel, das über dem Heil des Einzelnen steht, in seiner Bereitschaft, dafür Opfer zu bringen, offenbaren. Treibende Kraft war die Hoffnung, daß es bald viele Deutschen besser haben werden. Stauffenberg aber war aus der Sicht des Autors davon überzeugt, daß man seither in erschütternder Form den Anfang des Zusammenbruchs einer großen Nation erlebe, nicht nur militärisch, sondern vor allem auch psychisch.

Der Autor dieser "inneren Biographie" ist durchaus berechtigt, derartiges zu sagen, denn er ist ein Berufener. Eberhard Zeller ging mit Stauffenberg auf eine Schule, lernte ihn näher kennen durch die gemeinsamen Freunde Frank Mehnert und Rudolf Fahrner, die engsten Vertrauten Stauffenbergs, denen Zeller wie dem einzig überlebenden Bruder Alexander Stauffenberg zeit ihres Lebens nah verbunden blieb und sie schätzen lernte. Selbst Winston Churchill sagte 1946, es habe in Deutschland eine Opposition gegeben, die quantitativ durch ihre Opfer und durch eine entnervende internationale Politik immer schwächer wurde, aber zu dem Edelsten und Größten gehört, was in der politischen Geschichte aller Völker bisher hervorgebracht wurde. Ihre Taten und Opfer seien das Fundament eines neuen Aufbaues.

Wichtig ist nur, daß man sich bei den Gesprächen über eine künftige staatliche Gestaltung einig in der Ablehnung jedes Monopol- oder Staatskapitalismus war, ob in autoritärer oder liberaler Gebärdung. Ebenso schien man einig, daß keine anderswo ausgebildete demokratische Form von Deutschland übernommen werden könnte. Dies nun hatte Churchill nicht erfaßt, als es ihm um eine klägliche wie auch immer geartete aber nicht endgültig ernst genommene Würdigung des Widerstandes ging. Anders hingegen Theodor Heuß, dessen Haltung im Buche Zellers abgedruckt ist. Heuß sprach in einer Würdigung des 20. Juli einst davon, daß das Vermächtnis der Empörer noch in Wirksamkeit ist, und die Verpflichtung noch nicht eingelöst sei. - Damit hat er als Deutscher den Kern des "Geheimen Deutschland" besser erfaßt.

Stauffenberg fand die Worte vom "Geheimen Deutschland" niemals vor dem 20. Juli. Erst als ihn die Salven trafen, rief er es aus und beschwor damit etwas, was sein Leben erfüllte. Und so versteht sich seine Motivation wohl nur aus ihrem geistigen Hintergrund - jenseits aller nachträglichen Deutungen und Aufrufe: Bei einem nächtlichen Bombenangriff stand Stauffenberg auf seinem Balkon in Wannsee und habe nach Angaben seiner Frau Nina Verse gesprochen. Darauf stürzte er ins Zimmer, holte das Buch und zeigte ihr die Verse. Es war das George-Gedicht "Der Widerchrist". Es besagt, daß das Böse in Gestalt des Lichtes auftritt, in der Gestalt des geschichtlich Notwendigen und des scheinbar Wohltätigen. Dennoch beschwört das Gedicht die mythischen Gegenkräfte und Empörer gegen den Trug. Als solche Kraft verstand sich Stauffenberg.
Fazit
Der Autor und sein Verständnis vom Widerstand ist ihr in diesem Buch einmalig dicht auf den Fersen.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne

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Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 08. März 2009

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