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Dirk Blasius: Weimars Ende

Weimars Ende

von Dirk Blasius
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-525-36279-2

Preis: 8,97 Euro bei Amazon.de [Stand: 27. März 2024]
Um es gleich zu sagen: Das bis heute beste Werk über die "Auflösung der Weimarer Republik" stammt von Karl-Dietrich Bracher. Es ist in seiner Faktenfülle bis heute ein Standardwerk geblieben. Wer sich aber an dieses lange Werk nicht recht "herantraut", dem sei dieses kleine Büchlein des Historikers Dirk Blasius empfohlen, der bereits mit einer Studie über Carl Schmitt, den berüchtigten Juristen im Dritten Reich, hervorgetreten ist.
Die zahlreichen Faktoren, die zum Untergang der Weimarer Republik führten, sind in der Forschung weitgehend bekannt. Eine "monokausale Erklärung" für den Aufstieg des Nationalsozialismus gibt es, wie Eberhard Kolb zu recht festgestellt hat, nicht. Darauf weist Blasius in seiner Einleitung zu diesem Buch deutlich hin. Blasius konstatiert aber, dass in der Reihung der "Komponenten", die die Weimarer Ordnung destabilisiert und delegitimiert hätten, die Bürgerkriegs-Perspektive fehle. "1918 war der Krieg zu Ende, doch es begann ein Bürgerkrieg der Worte, Taten und Ideologien, der Weimar dem Abgrund entgegen treiben ließ." Zwar begegne das Bürgerkriegsparadigma in den Forschungen zur Weimarer Republik, "aber es ist nie zu einer Leitlinie einer systematischen Interpretation gemacht worden". Es sei - so Blasius, der "deutsche Bürgerkrieg" gewesen, der zur Katastrophe Europas im zweiten Weltkrieg geführt habe, kein europäischer, vom Kommunismus hervorgerufener Bürgerkrieg, dem Deutschland anheimfiel. Blasius wendet sich damit auch explizit gegen die Thesen Noltes, die in den 1980-er Jahren den "Historikerstreit" auflösten. Blasius These ist die, dass die politische Gewalt in der Weimarer Republik nicht nur krisenverschärfend wirkte, sondern die inneren Kämpfe einen kriegsähnlichen Charakter besaßen. "Die Zahl von Kriegstoten ist sicherlich ein Gradmesser für die Intensität von Staatenkriegen, für die Härte und Uerbittlichkeit von Bürgerkriegskonflikten gelten andere Parameter. Sie haben sich an empirischen Befunden zu orientieren, die von Gewaltepisoden bis zu Gewaltexzessen reichen. Nur so lassen sich die Gründe für das Aufkommen einer "Bürgerkriegshysterie" Anfang der dreißiger Jahre benennen, die nicht nur die Menschen wie eine Seuche befallen, sondern auch die Politik in verhängnisvoller Weise kontaminiert hat." (S. 13). Es sei der Irrglauben des Bürgertums gewesen, erst der Nationalsozialismus garantiere die Wiederherstellung des inneren Friedens. Niemand anders als Sebastian Haffner hat in seinen Publikationen, insbesondere seinen "Anmerkungen zu Hitler" und in seiner "Geschichte eines Deutschen" die Hoffnungen und die empfundene Aufbruchsstimmung geschildert, die nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten, im ersten Halbjahr 1933, von der Mehrheit der Bevölkerung empfunden wurde. Darauf geht Blasius nicht ein. Leider endet seine Darstellung mit dem Datum der Macht"ergreifung", die ja in Wahrheit eine Machtübertragung an Hitler war, 1933. Schade, denn hätte Blasius die Gedanken weitergeführt, so wäre seine These sicherlich bestätigt worden, wie die Bücher Haffners beweisen. Der insgesamt sehr knappe Band, der als Quellen auf zahlreiche Zeitungsberichte jener Zeit, abe auch auf die klassische Sekundärliteratur zur politischen und Verfassungsgeschichte (unter anderem Ernst Rudolf Hubers deutsche Verfassungsgeschichte, Band VII) zurückgreift, ist meines Erachtens schlüssig und plausibel. Sie zeigt, dass das Volk Sehnsucht nach Ruhe hatte und einen Hoffnungsträger suchte. Es fand es - fälschlicherweise - in Hitler. Natürlich ist und bleibt die Feststellung richtig, dass in Weimar die Bürger die Demokratie nie verinnerlicht haben. Je trister die Realität war (man denke an die furchtbaren Auswirkungen der Wirtschaftskrise, die im Januar 1932 zu über 6 Mio. Arbeitslosen führte), desto stärker war der Ruf nach diesem Hoffnungsträger. Dass latente Gewalt, die 1932, dem Jahr des "Kampfes um die Macht" (S. 174)zwar von den Nationalsozialisten angewandt wurde, diese aber dem Bürgertum gleichzeitig vortäüschten, eine Anti-Bürgerkriegspartei zu sein und als "Garant für Ruhe und Ordnung" aufzutreten, ist ein wichtiger Aspekt, der die Machtübernahme der NSDAP und Hitlers erklärt.
Fazit
Diesen Aspekt verdeutlicht zu haben, darin liegt das Verdienst dieser spannenden, flüssig geschriebenen Studie, die auch heute nichts an Brisanz verloren hat, wenn man an das Aufkommen populistischer Parteien in unseren heutigen Zeiten denkt. Daher - auch als Kurzusammenfassung des Endes von Weimar, sehr lesens- und nachdenkenswert.
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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 09. Juli 2005

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