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Alfred Andersch: Der Vater eines Mörders

Der Vater eines Mörders

von Alfred Andersch
Verlag: C. C. Buchner [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: klassische Literatur
ISBN-13 978-3-7661-4352-5

Preis: 1,28 Euro bei Amazon.de [Stand: 18. April 2024]
Alfred Andersch hat in dieser autobiographischen Novelle das Ende seiner Schullaufbahn geschildert. Andersch, in der Erzählung Kien, wird im Mai 1928 in griechischer Grammatik geprüft - von seinem Direktor, dem Vater von Heinrich Himmler, dem späteren Reichsführer SS.
Dieses Buch besticht aufgrund von zwei Faktoren: zum einen schreibt Andersch einen glänzenden Stil. Ähnlich wie in Thorbergs: "Der Schüler Gerber" wird hier ein Schulalltag vorgeführt, der in Deutschland leider lange gang und gäbe gewesen ist. Schüler und Lehrer hatten kein kameradschaftliches Verhältnis, sondern obrigkeitsstaatliches Denken und Untertanenmentalität zeigen sich bereits in der Schule. Dem Direktor geht es nicht um Pädagogik, sondern er hat von Anfang an das Ziel, den ihm unbequemen Schüler von der Schule zu verweisen.

Der zweite Aspekt ist jedoch ein tiefergehender: dieser humanistisch gebildete, strenge Direktor ist Vater Heinrich Himmlers, eines bestialischen Massenmörders, der allerdings im Privaten, wenn man Joachim Fests Studie: "Das Gesicht des Dritten Reiches" folgt, im Privaten durch äußerste Pedanz und Spießigkeit aufgefallen ist. Wie kann - so fragte ich mich - ein Humanist einen solchen Sohn "zeugen"? Aber ist der Vater, der Direktor, ein Humanist? Nein, er ist - dies macht die Erzählung leider erschreckend deutlich - eigentlich ein Sadist, jemand, der mit Absicht den Schüler quält und diesen sein "Gesicht" verlieren lässt - insbesondere die Fragen nach den familiären Verhältnissen des Schülers machen dies deutlich.

Ich habe neben dem Buch den - hervorragenden - Film im Fernsehen gesehen. Selten hat mich ein Buch so gefesselt und "nicht mehr losgelassen". Mir ging es so: ich dachte, wie gut, dass es heute andere Schulverhältnisse gibt, dass das Lernen lockerer, leichter und besser geworden ist. Das Buch regt auch zum Nachdenken darüber an, inwieweit ein menschenverachtender Drill - und hier sehe ich durchaus auch Parallelen zum Primat des Militärs im Kaiserreich oder auch zwischen dem Direktor und der Figur des Himmelstoß in Remarques: "Im Westen nichts Neues" - Menschenverachtung, Hass und Spießertum hervorbringt. Hat der Direktor des Gymnasiums mit seinem Drill, der "Vater eines Mörders" mit seinem Sohn Heinrich Himmler das "geerntet", was er - angeblich im Geiste des Humanismus - gesäht hat? Diese Frage lässt einen nach dieser Lektüre nicht mehr los.
Fazit
Ein äußerst beeindruckendes Buch.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 02. Oktober 2004

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