Politik in der Familie, in der Tat ein "heißes Eisen". Häufig
prallen unterschiedliche Meinungen gnadenlos aufeinander und werden hoch
emotional diskutiert. Ein sachlicher Gesprächsfaden kann in Gefahr geraten. Ja,
und "Nichts ist so persönlich wie Politik". Der Autorin Leonie Plaar,
eine junge queere Frau, Historikerin und politische Aktivistin, schreibt ein
sehr persönliches Buch. Sie vollzieht den Bruch mit ihrer Familie nach, der
sich nicht nur an kontrovers diskutierten Themen festmachen lässt, sondern
prinzipiell unterschiedlichen Weltanschauungen offenbart.
Leonie Plaar lässt die Leserschaft an ihren innerfamiliären Streitgesprächen
teilhaben. Ihr Vater ist AfD-Mitglied und die gesamte Verwandtschaft vertritt
zumindest deren Positionen nachhaltig. Die junge Autorin nimmt konträre
Standpunkte ein und sie beschreibt, wie die endlosen, sich häufig im Kreise
drehenden Diskussionen zuspitzen. Dies führt zur Entfremdung in der Familie,
insbesondere ihrem Vater gegenüber. Schließlich zieht sie einen Schlussstrich
und bricht den Kontakt zur Familie ab. Die beiden letzten Kapitel zeigen: Sie
ist überzeugt, das Richtige getan zu haben.
Fazit
Persönlich bin ich von diesem Buch hin und her gerissen. Den fachlichen, auf
Politik bezogenen Teil empfand ich schlüssig und interessant. Die Argumente der
AfD-Anhängerschaft sind zwar durchaus nicht neu, aber die Schilderungen zur
Strategie der Autorin, dem etwas entgegenzusetzen, sind bereichernd. Ihre
Situation, alleine einer "Übermacht" gegenüber zu stehen und sich
mit Argumenten auseinanderzusetzen, die einem gegen den Strich gehen, ist
nachvollziehbar. Auch ihre persönliche Entscheidung, sich eben diesen Debatten
zu entziehen, erscheint plausibel. Der Entschluss, den Kontakt zu ihrer Familie
ganz zu beenden, ist eine individuelle Entscheidung und von daher nicht
diskutabel.
Allerdings fremdele ich mit den "roten Linien", die sie für sich
zieht und den hieraus abgeleiteten Begründungen für ihre Entscheidung. Eben
diese roten Linien haben aus meiner Sicht Konsequenzen: Gespräche mit
konträren Positionen werden nicht geführt. Sie widerspricht hiermit ihren
eigenen Hoffnungen und Wünschen, eben genau das zu tun: Miteinander reden.
Betrachtet man die derzeitige gesamtgesellschaftliche Situation, lässt sich
genau dieses Dilemma an verschiedenen Stellen aufzeigen. Miteinander reden und
streiten, sind Grundzüge der Demokratie. Alles andere könnte zur Spaltung der
Gesellschaft führen. Sind wir bereits auf genau diesem Weg?
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 02. Oktober 2025 2025-10-02 20:56:22