Lesen und Schreiben für die Seele
Der Roman "Lunatics- Virginia Woolf und Lytton Strachey" befasst sich
mit dem Leben und Wirken von Virginia Woolf in den Jahren 1901 bis 1932.
Geschickt verbindet die deutsche Schriftstellerin Christiane Henke damit die
Liebesgeschichte zwischen Lytton Strachey und Virginia Woolf, sowie die
Gründung und Entwicklung der legendären Bloomsbury Gruppe. In einer
unterhaltsamen Weise werden die LeserInnen in das vor Exzentrik und
Individualität sprühende Leben dieser Gruppe eingeführt, die den
Freundeskreis von Virginia Woolf bildete. Neben vielen anderen lebhaften und
geistreichen englischen Schriftstellern und Künstlern gehörte auch der
Historiker Lytton Strachey dazu.
Obwohl die Romanhandlung erdacht ist, orientiert sich Christiane Henke
inhaltlich an biographischen Begebenheiten. Authentisch stellt sie den
LeserInnen in diesem vielseitigem Buch sowohl die Lebensweisen – und Orte
ihrer ProtagonistInnen, als auch deren Gefühlswelten und Charactere sehr gut
dar. Zugleich versteht sie es, die besondere Liebesbeziehung von Virginia Woolf
zu ihrer ersten großen Liebe, Lytton Strachey, in den Romanablauf flüssig zu
integrieren. Und dem nicht genug. Ausführlich geht sie auf die Ehe ein, die
Virginia Woolf nicht ohne Druck seitens Gesellschaft und Familie mit Leonard
Woolf einging. Die Ehe war bestimmt von ihrem gemeinsamen Interesse an der
Literatur. Leonard Woolf war überfürsorglich und entsprechend der damaligen
Zeit sich seiner Rechte als Ehemann sehr bewusst. Glücklicherweise
unterstützte er Virginia in ihrem größten Wunsch, Schriftstellerin zu
werden.
Virginia Woolfs Intention, sich zum Nachteil spannender Handlungsabläufe in
erster Linie dem Innenleben ihrer Figuren literarisch zu widmen, führte sie oft
zu psychischen Überforderungen. Erfreulicherweise konnte sie sich Dank der
Unterstützung durch Leonard und ihrer Freunde immer wieder von diesen Attacken
erholen. Versiert unternimmt Christiane Henke einen Streifzug durch die
bekanntesten Romane und Essays, die Virginia Woolf zu einer der bedeutendsten
Schriftstellerin der klassischen Moderne und feministischen Denkerin werden
ließen. Leider bleibt Vita Sackville-West, ihre zweite große Liebe, sehr im
Hintergrund. Dafür aber hat die Autorin für LiebhaberInnen des vermutlich
längsten Liebesbriefes in der Literatur "Orlando" eine Überraschung
im Gepäck, die kaum in anderen Buchbesprechungen erwähnt wird.
Demjenigen, der/die sich für die Liebesgeschichte zwischen Virginia Woolf und
Vita Sackville-West interessiert, möchte ich gerne die Romanbiographie von
Katja Kulin "Geliebte Orlando" und die "Love Letters - Virginia
Woolf & Vita Sackville-West" von Alison Bechdel empfehlen.
Christiane Henke, geboren 1955 in Goslar/Harz, wuchs im Ruhrgebiet auf. Nach dem
Studium der Germanistik, Anglistik und Rechtswissenschaften promovierte sie in
den Rechtswissenschaften. Im Jahr 2000 veröffentlichte sie als erste Autorin
eine kommentierte Studienausgabe über die Biographie von Anita Augspurg, eine
Feministin der ersten Frauenbewegung. Heute lebt die Schriftstellerin in Berlin
und schreibt vor allem für das öffentlich rechtliche Radio.
Fazit
Ruhig und detailliert erzählend, vermittelt die Autorin Christiane Henke ein
umfassendes Bild über die individuellen Einstellungen und Werte ihres
Figurenensembles. Bildlich gut vorstellbar ist die Romanbiographie
"Lunatics – Virginia Woolf und Lytton Strachey" eine gelungene
Mischung aus emotionalen Talfahrten, Gedankenlandschaften und geistiger Liebe.
Ein berührendes Buch, welches das Schmökern zu einem Lesehighlight werden
lässt.
Vorgeschlagen von Heike Jaschhof
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veröffentlicht am 26. Juni 2025 2025-06-26 20:59:19