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Hans-Olaf Henkel: Die Abwrackler

Die Abwrackler

von Hans-Olaf Henkel
Verlag: Wilhelm Heyne Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Politik
ISBN-13 978-3-453-16829-9

Preis: 8,80 Euro bei Amazon.de [Stand: 25. April 2024]
Das Buch von Olaf Henkel: "Die Abwrackler" erklärt aus seiner Sicht die Ursachen der aktuellen Finanzkrise, die sich nach Henkels Worten bis in die Amtszeit von US-Präsident Jimmy Carter (1977-1981) zurückverfolgen lassen. Der Politik wirft er angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise Versagen vor, da sie an einem "Neosozialismus" festhalte und die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft, zu deren Vätern er neben Ludwig Erhard auch Ökonomen wie Smith, Ricardo und Schumpeter rechnet, nicht mehr einhielten. Man müsse - so Henkel - zur Erhardschen Markwritschaft zurückkehren. Dafür verwendet er den Begriff "Retroliberalismus" (S. 230).
Mehrere Vorschläge unterbreitet Henkel, die Deutschland aus seiner Sicht aus der Krise helfen würden:
1.) Lockerung des Kündigungsschutzes, der mehr Arbeitsplätze schaffe und dafür sorge, dass Arbeitslose auch in Krisenzeiten in wenigen Wochen eine neue Stelle fänden.
2.) Abkehr von inflexiblen Flächentarifverträgen und Einführung individuellerer Lösungen für Unternehmen
3.) Reduzierung von Sozialabgaben und Veränderungen im Gesundheitssystem: nur für medizinische Grundversorgung und Absicherung der hauptrisiken soll jeder den gleichen Grundbetrag zahlen und sich darüber hinaus privat versichern. Im übrigen favorisiert er ein flexibles Renteneintrittsalter und die Einführung einer Betriebsrente als zusätzliche Altersvorsorge.
4.) Eine Finanzverfassungsreform zur Konsolidierung der Staatsfinanzen.
5.) Für die Finanzwirtschaft müsse gelten: Kaufe und verkaufe keine Produkte, von denen sie nichts versteht. Abschaffung der undurchsichtigen "Verbriefungen"
6.) Aussagefähigere Bilanzen, in der alle Risiken der Geschäfte der Finanzwirtschaft (etwa, welche Gefahren sich hinter sogenannten "Auslagerungen", den sogenannten Conduits verbergen) offengelegt werden müssen
7.) Bei Weizterverkauf von sogenannten Asset Backed Securities, also Zertifikaten und Verbriefungen, muss das verkaufende Institut ein bleibendes Interesse an der Seriosität dieser Papiere auch nach deren Verkauf haben, etwa dadurch, dass der Zwischenhändler einen bestimmten Prozentsatz der weiterverkauften Papiere im eigenen Portefeuille behalten muss.
8.) Wirklich unabhängige Rating-Agenturen, die staatlich organisiert sind und nicht von Firmen, die sie zu bewerten haben, abhängig sind
9.) Schaffung einer globalen Aufsichtsinstanz für den globalen Finanzsektor, etwa einer World Finance Organizazion. Diese soll die Einhaltung strikter Regelungen im Finanzbereich übernehmen.
10.) Größere Flexibilität bei eingeführten Regeln. Wenn sie in einer unvorhergesehenen Krise krisenverschärfend wirken (Beispiel: die sogenannten Basel-II-Regelungen), sollen sie schneller korrigiert und bei Bedarf abgestellt werden können, um die Krise nicht zu verschärfen.
11.) Größere Verantwortung bei der Festsetzung von Managergehältern und Aushandlung von Bonuszahlungen
12.) In Sachen staatlicher Intervention in den Bankensektor plädiert Henkel für ein Entweder-Oder: entweder keine Verstaatlichung von Banken oder Verstaatlichung aller Banken, aber Schaffung gleicher "Grundlagen" für alle Banken. Alle Banken müssen "gleichbehandelt" werden und ein tragfähiges Geschäftsmodell haben, auch die Landesbanken.
13.) Frühwarnsystem für Blasen und Hypes. Zusammenarbeit der Wirtschaftsinstitute mit psychologischen Forschungsinstituten, um die Gefahren "böser" Überraschungen durch Nicht-Berücksichtigung psychologischer Elemente in der Wirtschaft zu vermeiden.
14.) Vorbilder und abschreckende Beispiele von Wirtschaftsführern gleichermaßen benennen. Die Wirtschaft soll sich deutlicher und entschiedener von ihren "scharzen Schafen" distanzieren und diese auch deutlich in einer "Hall of Shame" benennen und an den Pranger stellen.

Das Buch ist in jedem Fall hochinteressant zu lesen. Insbesondere die Erfahrungen Henkels als Aufsichtsratschef und ehemaliger Präsident des BDI fließen, etwa bei der Affäre der IKB oder der Bewertung des Conti-Scheffler-Übernahme-Krimis mit ein.

Was mir gefällt, ist die deutliche Sprache. Ungeschnörkelt kommt Henkel zur "Sache" und benennt die Probleme, die sich aus seiner Sicht - nicht erst seit der Finanzkrise - ergeben haben und bietet Lösungsvorschläge an.

Um nicht mißverstanden zu werden: der Leser muss mit diesen Lösungsvorschlägen nicht einverstanden sein und sollte auch andere Bücher über die Wirtschafts- und Finanzkrise lesen, um sich mit den Gegenargumenten zu Henkels Thesen vertraut zu machen und somit ein differenzierteres Bild zu machen. So bietet sich als parallele Lektüre etwa das Buch von Lucas Zeise: "Ende der Party" an, der aus der von Henkel kritiserten "neosozialistischen" Perspektive argumentiert und teilweise zu entgegengesetzten Schlüssen kommt wie Henkel, in einigen Punkten - etwa in Bezug auf das Desaster bei der IKB - aber ähnliche Auffasungen wie Henkel vertritt.
Fazit
Insofern: eine anregende Lektüre eines streitlustigen Mannes, der sehr klar auspricht, was er denkt und dabei neben Politikern auch Wirtschaftsführer - etwa den früheren Daimler-Chef Schrempp, deutlich kritisiert. "Ausgewogenheit" in dem Sinne, dass Henkel differenziert auf Gegenargumente eingeht, kann man von diesem Buch nicht erwarten, wohl aber erfrischende Offenheit und Klarheit in der an sich stimmigen Analyse. Daher lesenswert.
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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 17. Januar 2010

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