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Wolfgang Krebs: Die imperiale Endzeit. Oswald Spengler und die Zukunft der abendländischen Zivilisation

Die imperiale Endzeit. Oswald Spengler und die Zukunft der abendländischen Zivilisation

von Wolfgang Krebs
Verlag: Rhombos Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Philosophie
ISBN-13 978-3-938807-97-2

Preis: aktuell keine Daten vorhanden
Oswald Spengler ist seinerzeit der Nachweis treffend gelungen, daß die abendländische Kultur des Westens von Beginn an im Zeichen einer neuen Auffassung von Raum und Zeit, wie sie Carl Schmitt (1888-1985) in seinem Spätwerk "Land und Meer" von 1954 mit dem Begriff der Raumrevolution beschreibt, stand. Ihr Ursymbol ist das Unendliche, das Faustische. Der entwurzelte Mensch ist aus seine Achse geworfen, weil er keine Perspektive mehr hat. Er findet keine Orientierung mehr, sieht den sekundären Zustand als den normalen an, spürt, daß ihm etwas fehlt und greift zu letzten Mitteln: Suizid, Amok oder weniger brutal: Auswanderung und Rückzug aus dem öffentlichen Leben.

Die Furcht vor dem "Untergang des Abendlandes" gewinnt im Zeichen der Globalisierung neuerdings wieder an Aktualität. Der clash of civilizations gehört - wie viele Menschen glauben - zu den politischen, ökonomischen und kulturellen Konstanten des 21. Jahrhunderts. Diese Meinung vertritt der Autor des vorliegenden Buches. Oswald Spenglers Kulturphilosophie formulierte diese düsteren Zukunftsblicke schon vor über acht Jahrzehnten. Das vorliegende Buch zeigt, daß der resignative Pessimismus unangebracht ist. Die imperiale Tendenz der Gegenwart, die Spengler hellsichtig voraussah, birgt die Chance des weltweiten Sieges der demokratischen Idee und der Selbstbehauptung der westlichen Zivilisation, so der Autor. Richtig wird hier auch dargelegt, daß sich die Sorge ums Altgewohnte oftmals nur noch in der materialistischen Furcht vor Wohlstandsminderung zeigt. Da ohne gültige Maßstäbe und vor allem zielbestimmende Maßstäbe und Werte kein Auskommen garantiert ist, konzentriert der Mensch sich auf die künstliche und kommerzielle Umwelt, die ihm bietet, was einst in der primären Welt zu entbehren war. Das "sekundäre System" herrscht und wird hier zur artifiziellen und allherrschenden steinernen Macht der Zivilisation, der gegenüber der Mensch zur Passivität verurteilt ist und zum Objekt der politischen oder medialen Wachsuggestion wird.

Für Spengler ist das unabwendbare Schicksal, die irrationale kosmische Kraft, die zur Zivilisation der Gegenwart treibt. Zivilisation dauere 200 Jahre, um dann dem Niedergang anheim zu fallen und sich endgültig von dem wichtigsten Phänomen der Weltgeschichte, der Kultur, abzukoppeln. Das Problem bei Spengler hat hiermit an Kontur gewonnen und der Autor beweist, wie sehr diese Theorie Spenglers sich an vielen Stellen bewahrheitet hat. Insbesondere die soziale Verwahrlosung, die wir heute in allen Städten finden, war für Spengler ein Phänomen aller Zivilisationen, die Brutstätte einer scharfen Art von Asozialität. Da nützt es auch nicht auf die wenigen Oasen im Wüstensand zu verweisen, wo über massige Steuermittel "Integration" gelungen sei. Der denkende Mensch fragt sich, müßte diese in funktionierenden Gemeinschaften nicht ohne staatlichen Interventionismus sich ergeben? Wichtig sind die Beschreibungen des Autors über Spenglers Untergangstheorie. Mit der Kombination der repetitiven Zyklusidee und dem Problem der Dekadenz sowie des Zerfalls der Kultur statuiert Spengler seine wesentliche politische These. Anknüpfend an die Ideenlosigkeit der Menschheit und der Bedeutungslosigkeit universalhumanistischer Werte, vor allem die der liberal-rationalen Gedankenwelt (Herrschaft des Verstandes, Humanität, Freiheit der Völker), hat in dieser Perspektive der Diskontinuität und des Relativismus jede Kultur ihre Möglichkeiten des Ausdruckes, die erscheinen, reifen, welken und nie wiederkehren. Der Verfall der Kultur, die Passivität und die Ausdörrung des Menschen sei hier unvermeidlich wie der Tod, der auf das Leben folgt.

Das Leben in der Zivilisationsperiode wird vom Positivismus und Rationalismus beherrscht, die für Spengler einen Nihilismus und die Aushöhlung jahrhundertealter Werte bewirkten. Die Allmacht der Vernunft leistete der dialektischen Vernichtung der Kultur Vorschub, was Spengler in seinen lebensphilosophischen Analogien antithetisch verdeutlicht. Die Philosophie wurde zur gegenwärtigen Gesellschaftskritik transformiert. Die Unvermeidlichkeitsthese mündet in dem Aufruf, die Zivilisation, in der man lebte, als große Endphase zu akzeptieren. Die konservativen Kräfte sollten nach Spengler unter psychologischen Druck gesetzt werden, um sich der Zivilisation anzupassen. Im Kampf mit den Engländern war der Modernisierung Schritt zu halten. So mündete diese Theorie in einen national-konservativen politischen Aktionismus, dem der Autor unbegründeterweise wenig abzugewinnen scheint. Dies ist wenig erfreulich, erscheint doch gerade jetzt die Spengler-Studie aus den 20er Jahren "Neubau des deutschen Reiches" neu im Arnshaugk-Verlag und bietet ebenfalls so manchen aktuellen Anknüpfungspunkt für die Gegenwart. (Bigalke, Daniel (Hrsg.): Oswald Spengler: Neubau des deutschen Reiches. Mit einem Vorwort des Herausgebers. 2009. 147 S. 160 gr. ISBN 3-926370-35-1)

Welche Aktualität haben nun diese Analysen in der gegenwärtigen Zeit? Wolfgang Krebs zeigt auf, daß Spengler Recht damit hatte, wenn im Zusammenhang mit dieser Entwicklung die Verdrängung "faustischer" Ethnien Europas durch andere Ethnien prognostizierte. Die Erkenntnisse des negativen Dialektikers Oswald Spengler entbehren nicht einer gewissen Relevanz in der heutigen Zeit. Dieses Denken ist klarsichtig. Nach einer Darstellung von Spenglers Geschichtsphilosophie, einer Fortschreibung der Spenglerschen Konstruktion sowie der Beschreibung moderner Krisen beschreibt der Autor die Spenglersche Kritik an der zeremoniellen Inszenierung der Freiheit und an der Vernichtung der Demokratie durch die Blindheit für aktuelle Existenzfragen und eben durch die Inszenierung einer Freiheit, die sich auf die Beschränkung auf vier oder fünf Parteien zur Wahl bezieht, um ein "guter" Mensch zu sein, und damit schon keine Freiheit mehr ist.

Letztendlich führt die Lektüre des Werkes dazu, ziemlich genau zu erkennen, worum es Spengler ging. Mehr noch, man kommt nicht umhin, die Auswirkungen des aufklärerischen Denkens der Zivilisation (Stichwort "Allmacht der Vernunft") in der Gegenwart klar wieder zu erkennen und als die eigentliche Unvernunft zu erkennen. Sie äußerte sich für Spengler folgendermaßen:

1. Lebensfeindlichkeit als erstickende Wirkung gegenüber Lebensimpulsen und Vitalität
2. Mangel an Erlebnisvermögen und unschöpferische Verwahrlosung
3. Hochmut und Traditionsferne, einhergehend mit Scheinbildung bei selbsternannten Eliten
4. Idee der Mitte als Kult der Mittelmäßigkeit in allen politischen Belangen mit einhergehender Abneigung gegenüber allem Herausragenden und Ungewohnten
Fazit
Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Wer hätte gedacht, daß Spengler derartig Recht hat? Dieses Buch führt viele Beweise auf!
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne

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Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 29. August 2009

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