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Frits Boterman: Oswald Spengler und sein "Untergang des Abendlandes"

Oswald Spengler und sein "Untergang des Abendlandes"

von Frits Boterman
Verlag: SH-Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Philosophie
ISBN-13 978-3-89498-080-1

Preis: 35,48 Euro bei Amazon.de [Stand: 24. April 2024]
Oswald Spenglers (1880-1936) Buch "Der Untergang des Abendlandes" gehört zu den meistgelesenen Werken der Weimarer Republik. Seiner Kulturkreistheorie zufolge, in der Spengler den Aufstieg, die Blüte und den Verfall von acht Kulturen beschrieb, zu denen er die russische Kultur erst nachträglich zu beschreiben und hinzuzufügen begann, befand sich die westliche Kultur in einer ernsten Krise, dem Zeitalter der Zivilisation. Er prophezeite, daß sie nach einer Phase imperialistischer Kriege um das Jahr 2000 unvermeidlich untergehen werde. Freilich, bei den Denkern seiner Zeit hinterließ Spengler damit einen großen Eindruck, denn nur so konnte beispielsweise der begeisterte Pessimist E.M. Cioran (1911-1995) in einer brieflichen Äußerung von 1976 meinen, er wolle den von Spengler 1918 vorhergesagten Untergang des Abendlandes unbedingt noch gern selbst miterleben. Keine Frage, daß Spengler entsprechend heute - ob man seiner Prophetie glaubt oder nicht - mehr denn je philosophischer Ahnherr der Globalisierungskritik ist und wohl auf dem asiatischen Kontinent zunehmend Leser gewinnen wird.

In der vorliegenden Studie werden nicht nur die persönlichen und sozialhistorischen Hintergründe dieses epochemachenden Buches beleuchtet, sondern auch dessen ideengeschichtlichen Aspekte skizziert. Spengler war nicht nur Kulturkritiker, sondern verfaßte wegweisende politische Schriften, die sich freilich zutiefst vom leichtfertigen verbalen Katastrophismus, der Spengler oft vorgeworfen wird, absetzen. Die Kernfrage seiner intellektuellen und politischen Biographie lautet vielmehr: Wie kann sich ein apolitischer Außenseiter zu einem politisch engagierten Publizisten und Aktivisten mit Kontakten zu führenden Industriellen und Politikern Deutschlands entwickeln?

Frits Boterman zeichnet in seinem Buch den intellektuellen und politischen Werdegang von Spengler in einer extrem detaillierten Weise nach, wie es bisher noch niemand tat. Der von Boterman untersuchte Werdegang ist auch für die heutige Zeit und die gewandelte Rolle der Medien in Anbetracht der immer stärker werdenden Bedeutung von politischer Ideengeschichte und der zunehmenden Bedeutung der Geisteswissenschaft sehr lesenswert. Das Ergebnis dieser Fleißarbeit, welche als Dissertation ihres Autors hier publiziert wurde, kann sich sehen lassen. Das Buch zeichnet sich durch eine bisher kaum derartig absolvierte Übersichtlichkeit und intellektuelle Tiefgründigkeit aus, welche sämtliche kleineren Monographien über Spengler eindeutig übertrifft. Inhaltlich gliedert sich das Buch philosophisch-thematisch sowie literarisch-wissenschaftsgeschichtlich im Rahmen einer Gesamtchronologie, die alle Punkte hinsichtlich des Phänomens "Spengler" abarbeitet: Kulturphilosophie als Allgemeines und persönliche Hintergründe(16), Kulturphilosophie und sozialgeschichtliche Hintergründe (43), Geschichte der Lebensphilosophie: Antirationalismus und Antipositivismus (81), Spengler im Weltkrieg (155), Vom politischen Ideologen zum politischen Aktivisten (260), Spengler und die Weimarer Republik (291) und Spengler und der Nationalsozialismus (349). So verbinden sich Biographie, thematische Monographie und philosophiegeschichtliche Einführung zu einem sinnvollen Ganzen.

Ein ausführliches Literaturverzeichnis (439) mit sämtlichen unveröffentlichten Quellen und über 100 Zeitungsartikeln Spenglers, die bisher kaum bekannt waren, schließen diese ohne Zweifel umfassendste Monographie zum Thema ab. Botermann schreibt hingegen selbst: "Es handelt sich nicht um eine Biographie im übrigen Sinn des Wortes, und auch keine rein ideengeschichtliche Monographie, sondern die Kulturphilosophie Spenglers und seine politischen Vorstellungen und Aktivitäten sollen (...) im Kontext seiner Zeit verstanden werden. Diese historische Untersuchung möchte einen Beitrag sowohl zur intellektuellen als auch zur politischen Geschichtsschreibung Deutschlands leisten." (9) Dies ist dem Buch gelungen. Wir können es vielleicht in Übereinkunft mit Boterman als thematisch integrale Monographie kennzeichnen, die als aktuelleres Folgewerk zu Koktaneks erster Monographie der Nachkriegszeit gelten kann. Diese hatte damals bereits ähnlicherweise das Ziel, "die thematische Vielfalt seines Werkes in der spannungsgeladenen Anlage und eigenwilligen Entfaltung seiner Persönlichkeit" zu begründen (Anton Mirko Koktanek, Oswald Spengler in seiner Zeit, 1968, S. XV) und setzte sich damit von dem allerersten recht apologetisch auftretenden und unvollständig bleibenden Sekundärband über Spengler ab. (Manfred Schröter, Der Streit um Spengler. Kritik seiner Kritiker, München, 1922)

Das vorliegende Buch nun ist letztendlich eine exzellente und umfassende Gesamtdarstellung der Diskrepanz zwischen literarischer Randposition und dem Verlangen, eine idealisierte Stellung als Dichter-Denker einnehmen zu wollen, von der aus man die Wirklichkeit symbolisch-mythisch erfasst. Diese Diskrepanz und ihre weltanschauliche Dissidenz im Bunde mit einer praktizierten und riskanten intellektuellen Unabhängigkeit ist Spenglers Eigenschaft.
Fazit
Dem wissenschaftlichen Phänomen dieses introvertierten Menschen, des homo clausus, der das Geistige und Überparteiliche zur persönlichen Lebensmaxime macht, trägt dieses Buch entsprechend in einzigartiger Weise Rechnung.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne

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Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 03. Januar 2008

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