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Johannes Heinrichs: Sprung aus dem Teufelskreis

Sprung aus dem Teufelskreis

von Johannes Heinrichs
Verlag: Steno-Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Philosophie
ISBN-13 978-9544492007

Preis: 6,74 Euro bei Amazon.de [Stand: 25. April 2024]
Der Leser erhält in der Neuauflage dieses Buchs einen charakteristischen und theoretisch fundierten Überblick zu den Diagnosen der kulturellen und sozialen Grundprobleme, welche sich an der Basis bestehender Wirtschafts- und Gesellschaftsformen unserer Zeit anhäufen. Es wäre kein Buch von Johannes Heinrichs, wenn nicht auch hier das Plädoyer für eine an der Wurzel beginnende und damit im konstruktiven Sinne radikale Umgestaltung dieser Gesellschaftsformen dargeboten wird.

Heinrichs stellt eine Theorie der natürlichen Wirtschaftslehre vor und kann dafür von seinen zahlreichen Einzelpublikationen zehren, die in einer umfassenden Bibliographie aufgelistet sind. Er bespricht zunächst die Entwürfe seiner Vorgänger und geht dafür auf den Begründer der "Natürlichen Wirtschaftsordnung" Silvio Gesell ein, der zu Unrecht bei den Freiwirtschaftlern oft in Konkurrenz zu Marx gestellt würde (32ff.). Heinrichs ist es deshalb ein Anliegen, den positiven Zusammenhang mit Karl Marx herzustellen (Kapitel 12). Schnell wird deutlich, daß es ihm um eine Versöhnung der beiden Ansätze geht, wenn er betont, daß es den heutigen Geldreformen im Sinne Gesells inzwischen zu billig sein sollte, sich an einer angeblichen "Verstaatlichung" bei Marx aufzureiben, der von "Vergesellschaftung" abzusetzen sei und ebenso den Apologeten des neoliberalen Kapitalismus als Kampfbegriff dient (244).

Es werden in diesem Zusammenhang der innovativen Klärung des Verhältnisses von Marxismus und Freiwirtschaftsbewegung viele bedeutende und aktuelle Themen der heutigen Wirtschaft abgehandelt, ohne die kein zukünftiger Erfolg zu haben sei. Darunter Lösungen für das Problem der Arbeitslosigkeit, Perspektiven in der Geld- und Ressourcenproblematik sowie die für den Autor charakteristische Zuordnung der Ebenen Wirtschaft, Politik, Kultur und Religion auf nationaler und globaler Ebene. Das vorliegende Buch befaßt sich also in aktualisierter Form mit den großen Menschheitsproblemen, deren Lösung man - so betont der Frankfurter Professor für Entwicklungs- und Währungspolitik Wilhelm Hankel in seinem Vorwort - vorurteilsfrei wie Heinrichs analysieren müsse (12).

Stark beeindruckt zeigt sich Heinrichs im dritten Kapitel von der Person und dem Werk Johannes Kleinhappls, der 1947 Lehrverbot erhielt, da seine Thesen nicht das Konstrukt einer am westlichen Wirtschaftssystem ausgerichteten Kirche stützten. Der Jesuit Kleinhappl entfaltete seine Lehre an der Universität Innsbruck und geriet in Konflikt mit der kirchlichen Autorität. Bei aufmerksamer Lektüre erkennt der Leser problemlos, daß es die fundamentale Kapitalismuskritik und das biblische Zinsverbot, welches etwa 1800 Jahre unangetastet blieb, sind, die beide Autoren verbinden.

Mit Blick auf zunehmende globale Pauperisierung in städtischen Armenvierteln und zunehmenden Reichtum auf Seiten einiger weniger mit der Konsequenz entsprechenden sozialen Sprengstoffs weisen Heinrichs’ Analysen das Potential zur Lösung brennender Fragen auf. Silvio Gesell, der als Vordenker der "Natürlichen Wirtschaftsordnung" seine Ideen in einer argentinischen Mustersiedlung zu realisieren suchte, stellte beispielsweise selbst die Frage, warum unser Geld über eingestanzte Zahlen ein Dauerwertversprechen geben können sollte. Er wollte damit das Geld als Machtmittel, welches sich über die sich in ihrem Wert natürlich-dynamisch verhaltenden Naturalien erhebt, in Frage zu stellen. Das Problem liegt ihm darin, daß das Geld hingegen ohne weitere Arbeit hortbar und über Zinsen akkumulierbar wird.

Heinrichs Impuls hebt hingegen nicht nur den drohenden Zeigefinger, sondern gibt mit aktuellem Anspruch ernsthaft und engagiert die Unvernunft dieses Zwanges zum wirtschaftlichen und geldlichen Wachstum "gegen alle ökologische Vernunft" (29) zu bedenken. Entsprechend seiner demokratietheoretischen Konzeption der Viergliederung kommt bei ihm zu der Reform der wirtschaftlichen Basisebene die politische Reform: Die Wirtschaft wird zukünftig von den kulturellen und weltanschaulichen Zielen her ihren Rahmen gesetzt bekommen müssen (287). Der Mensch ist also das Maß aller Dinge und darum auch das Maß der Wirtschaft. Dieser Anthropozentrismus schließt das freie Spiel aller Kräfte und Leistungen unabhängig von ungleichen "Vorrechten" ein, die durch das Zinssystem, das Boden- und Erbrecht von Grund auf eine natürliche Wirtschaftsordnung verfälschten. Ob Zinsgewinner oder Zinsverlierer, Neoliberalismus oder Humanwirtschaft - der Leser erhält einen tiefergehenden Einblick in die systemischen Ungerechtigkeiten bestehender Ordnungen.

Mit eindeutiger Perspektive zur Gesundung des heutigen Wirtschaftsorganismus und mit einem Nachwort von Rudolf Bahro - der letzten schriftlichen Stellungnahme vor seinem Tode - erweist sich die Theorie der Viergliederung in diesem Buch offenbar auch auf wirtschaftlicher Ebene als zukunftsweisend. Es ordnet sich komplementär in die vorausgegangenen Werke ein.

Bei den Lesern jeglicher Schriften von Heinrichs - und das ist seine erstaunliche Leistung - manifestiert sich ein Bild davon, daß dieser Autor zielsicher die geistesgeschichtlichen Leistungen deutscher Philosophen von einem systematischen Standpunkt aus selbständig fortentwickelt hat. Die Erinnerung daran in Kombination mit einer geforderten Aufgeschlossenheit beim Leser führen dazu, dass Heinrichs’ Bücher stets perspektivisch die allumfassende Idee einer philosophischen Grundlage für die gemeinsamen Interessen der Menschheit anzuempfehlen scheinen.

Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 18. Juni 2007

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