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Bettina Brömme: Rachekuss

Rachekuss

von Bettina Brömme
Verlag: Arena Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Thriller
ISBN-13 978-3-401-06603-5

Preis: 1,85 Euro bei Amazon.de [Stand: 26. April 2024]
Wie die Labyrinthe-Jugendkrimis aus dem Thienemann-Verlag richtet sich die Reihe: "Arena Thriller" an ein jugendliches Lesepublikum. Im Unterschied zu den Labyrinthe-Krimis sind die Arena-Thriller jedoch deutlicher auf eine weibliche Zielgruppe ausgerichtet. Verschmähte Liebe, Hassgefühle, die zu dramatischen Entwicklungen führen, kennzeichnen die Serie, in der Autoren wie Beatrix Gurian, Ulrike Bliefert, Krystina Kuhn schreiben. Zum 5-jährigen "Jubiläum" der Reihe ist ein Thriller der 1965 geborenen Münchener Autorin Bettina Brömme unter dem Titel "Rachekuss" erschienen, der buchstäblich unter die Haut geht.

Er schildert die Erlebnisse der 17-jährigen Flora, die eine brasilianische Mutter und einen deutschen Vater hat. Der Vater wurde aus Brasilien nach Erlangen versetzt. Daher muss die Familie aus Rio de Janeiro nach Deutschland umziehen. Flora passt dies gar nicht, sie "vergeht" vor Heimweh nach dem sonnigen Land und ihren dortigen Freunden. In Erlangen freundet sie sich mit der gleichaltrigen Carina an, die ihr die Eingewöhnung in ihr neues Leben erleichtert. Bald sind beide unzertrennlich. Da spürt Flora auf einmal, dass der 18-jährige Yannik an ihr Interesse zeigt. Er hat sich Hals über Kopf in sie verliebt...

Da beginnen mysteriöse Ereignisse. Flora sieht sich einer schmutzigen Verleumdungskampagne ausgesetzt. Tierkadaver mit Blut wird unter ihre Bank geschmuggelt. Die Party zu ihrem 18. Geburtstag "entgleist", weil - durch Facebook von einer unbekannten Person über 100 fremde Leute dorthin eingeladen werden und die Wohnung der Eltern verwüsten. Flora möchte zurück nach Braslilien, doch dies erlauben die Eltern nicht. Da eskalieren die Ereignisse und gipfeln schließlich in einem Mordversuch.

Das Buch, aus Sicht von Flora geschrieben, ist atemberaubend spannend. Die Erzählperspektive ist die der Rückblende. Der "allwissende" Erzähler kennt die Ereignisse der Handlung. In der Einleitung wird die Verzweiflung Floras gezeigt, die sich als Tierquälerin, Psychopathin und Mörderin verunglimpft sieht. Wer tut ihr dies nur an?

Ganz offenbar eine Person, die psychisch gestört ist. Jedes Kapitel beginnt mit dem Auszug aus einem psychiatrischen Gutachten, welches die Krankheitssymptome dieser Person schildert, die unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung in einer schweren Verlaufsform leidet. Der Leser denkt zu Beginn, es könnte sich um Flora handeln. Dass dies nicht so ist, wird ihm allerdings bald klar...

Natürlich darf eine Rezension Verlauf und Täter nicht verraten. Nur so viel sei gesagt: dem geübten Leser dürfte bald klar sein, wer der Täter ist. Doch Flora, die sympathisch gezeichnete, wenn auch etwas naive Protagonistin der Handlung, ahnt davon nichts. Der Leser möchte buchstäblich aufspringen und Flora vor dieser Person warnen, doch er wäre mit diesen Warnungen wohl ebenso erfolglos wie Floras Freunde, die das Spiel ebenfalls durchschauen. Doch kann wirklich sein, wass offensichtlich scheint?

Das Buch spricht viele Themen an: Heimweh nach einer anderen Kultur, in der man aufgewachsen ist, Probleme der Ich-Findung und des Erwachsen-Werdens, Mobbing, auch Cyber-Mobbing, psychische Erkrankungen und die entsetzlichen Folgen, die dies für die Erkrankten selber, aber auch für die Umgebung, haben kann: Der Psychater thematisiert auch, dass das Umfeld des Täters besser auf sein Verhalten hätte schauen und diesem mehr Beachtung hätte schenken müssen. Doch ob man hätte helfen können, wie der Psychiater meint? Ich bezweifle dies. Unter die Haut geht der Thriller deshalb, weil er nicht nur die Verstrickung in Schuld zeigt, sondern m.E. genau diese Frage aufwirft: hätte ein "anderes" Verhalten der Protagonisten die Eskalation der Ereignisse stoppen können? Ich denke, dass dies nicht möglich gewesen wäre. Die Aussagen des Gutachters im 19. Kapitel erscheinen mir hier zu optimistisch zu sein. Aber genau diese Fragen lassen den Betrachter und den Leser "nicht mehr los" und geben dem Buch eine unheimliche Tiefe.

Schwächen hat das Werk m.E. durchaus. Der Freund Floras, Yannick, wird etwas blass gezeichnet, seine Rolle bei der entgleisten Party nicht eindeutig klar. Dennoch ist er - wie alle anderen Protagonisten lebensecht und sehr authentisch gezeichnet. Die Handlung hat in der Mitte stellenweise etwas Längen, man fragt sich unwillkürlich, warum die Protagnostin der Wahrheit nicht längst auf die Spur kommt bzw. die Polizei nicht intensiver ermittelt. Aber dies sind nur kleine Schwächen "am Rande", die diesem spannenden Buch ansonsten keinerlei "Abbruch" tun.
Ich finde toll, dass die Kultur und Lebensweise Brasiliens sehr gut herübergebracht wird und auch die unterschiedlichen "Kulturen" und Lebensstile Deutschlands und Brasiliens gut dargestellt werden. Da ich jemanden kenne, der mit einer Brasilianerin verheiratet ist, die ebenfalls zeitweise an Heimweh nach der Freundlichkeit und Fröhlichkeit Brasiliens in einem winterlich kalten Deutschland leidet und litt, konnte ich die Probleme Floras gut nachempfinden.
Fazit
Ein lesenswertes, aufwühlendes Buch, welches einen nachdenklich und aufgewühlt zurücklässt, da die Frage, ob man dem Täter hätte früher helfen können und müssen und ob dies überhaupt möglich gewesen wäre, meines Erachtens den Kern der "Botschaft" des Romans ausmacht, der deshalb nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene mit großem Gewinn zu lesen ist.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 09. Oktober 2011

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