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Brian Selfon: Nachtarbeiter

Nachtarbeiter

von Brian Selfon
Verlag: GoyaLit [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Krimi
ISBN-13 978-3-8337-4425-9

Preis: 18,00 Euro bei Amazon.de [Stand: 01. Mai 2024]
Der Autor bedient sich in seinem Debütroman eines eher ungewöhnlichen Genres der Kriminalliteratur, um eine gewisse gesellschaftliche Kritik zu äußern, nämlich das Genre des Gangsterromans. D. h. Verbrechen ja, Ermittlungen eher nur am Rande. Darauf muss man sich als Leser einlassen, gibt dem Roman aber eine sehr schöne Würze.

Im Wesentlichen bekommen wir es mit drei Hauptfiguren zu tun, die aus dem Underground von Brooklyn stammen. Sie sind in dieses Milieu hineingeboren, kennen gar nichts anderes. Für sie ist es selbstverständlich, dass sie ihren Lebensunterhalt mit Kriminalität verdienen.

Da ist zunächst Shecky. Er wünscht sich eine Familie. Ganz klassisch mit gemeinsamen Mahlzeiten, gemeinsam Beisammenstehen usw. Er ist das Oberhaupt der Familie und vermisst auch nach vielen Jahren immer noch seine Schwester. Shecky hat sich ein Unternehmen aufgebaut, welches gut funktioniert, aber nach strengen Regeln abläuft. Er betreibt Geldwäsche im großen Stil. Dabei wäscht er nicht sein eigenes Geld, sondern bietet dies als Dienstleistung für alle möglichen Kunden an. Beispielsweise überall da, wo ein Firmeninhaber mit viel Schwarzgeld hantiert. Die Transfers des Geldes über mehrere Konten und an Scheinfirmen, übernimmt Shecky mit seinem darauf spezialisierten Unternehmen.

Harry ist ein Junge, den Shecky zur Betreuung als Bewährungshelfer aufgenommen hat. Harry ist für ihn wie ein Sohn. Er bekommt all seine Liebe und all sein Wissen. Shecky bringt ihm alles bei, was er seinem "Sohn" nur beibringen kann. Harry ist der beste Mitarbeiter im Geldwäscheunternehmens seines "Onkels", wie er Shecky nennen soll. Er heuert Kuriere an, bringt ihnen das Handwerkszeug bei, stattet sie mit Wegwerfhandys aus. Harry ist der Mann für alles in der Firma, denkt aber, er wird nicht gut bezahlt.

Die jüngste, die Shecky in die Familie aufgenommen hat, ist Kerasha. Kerasha ist 23 Jahre alt und hat gerade 6 Jahre im Knast hinter sich. Als Kleptomanin muss sie ihre Therapiesitzungen noch bei einem Psychiater absolvieren, um von der Sucht des Klauens geheilt zu werden. Kerasha ist noch nicht voll in den Familienbetrieb integriert worden. Sie muss nach den sechs Jahren erst mal mit der Freiheit klarkommen. Und mit dem fehlenden Heroin. Aber an das Ritual der gemeinsamen Frühstücke und Abendessen hat sie sich schnell gewöhnt.

Brian Selfon hat ein besonderes Bild von Brooklyn gezeichnet, welches sich vielen Menschen nicht auf den ersten Blick erschließt. Das ist nicht nur die Selbstverständlichkeit, wie hier mit Kriminalität Geld verdient wird. Es sind auch die zahlreichen Verstecke, Unterschlüpfe und toten Briefkästen, die sich dem Auge eines normalen Bürgers oder gar Touristen gänzlich entziehen. Wer erwartet schon in einem alten Zeitungskasten, dass sich darin eine Nottasche mit Revolver, Geld und mehreren Pässen oder Führerscheinen befindet? Mit vielen Details und sehr authentisch schildert Selfon ein ungewöhnliches Bild von Brooklyn und seinen Bürgern.

Die Polizei scheint machtlos zu sein. Sie kann sich nicht um alle kleinen Verbrechen kümmern, die in der Drogen- oder Prostituiertenszene tagtäglich geschehen. Auch die Polizistin Zera, die als Kind aus Montenegro in die USA verschleppt wurde, verzweifelt an den Machenschaften des Menschenhandels.

Dieser besondere Schmelztiegel Brooklyn, wie ihn Brian Selfon als düstere Schattenseite präsentiert, hat mich ein wenig an die chaotische Familie in der TV-Serie "Shameless" erinnert. Eine Familie voller Verlierer, die dennoch das Beste aus ihrem Leben herausholen wollen.

Der Stil von Brian Selfon ist unterhaltend, enthält auch humorige Sequenzen. Man kann ihm gut folgen. Zeitliche Sprünge und Rückblenden werden gut bekanntgemacht, so dass man die jeweilige Szenen sehr gut in die gesamte Geschichte einordnen kann.
Fazit
Ein sehr guter Roman für Leser, die nicht immer nur einen 0-8-15-Krimi lesen möchten und gerne auch mal hinter die Kulissen der Handlungsorte schauen möchten.
8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne

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Vorgeschlagen von Detlef Knut [Profil]
veröffentlicht am 28. März 2022

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