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Unsere Gesellschaft im Jahr 2035

Mit seinem SF-Thriller "Die Kuppel" greift der deutsche Autor Markus Stromiedel die Überalterung unserer Gesellschaft auf. Buchtips hatte Gelegenheit mit dem Autor über die Entstehung seines Thrillers und zu sprechen und erfuhr bei der Gelegenheit, warum Markus Stromiedel auch weiterhin als Drehbuchautor arbeitet.

Michael Krause: Hat sich die Rentenversicherung schon bei Ihnen gemeldet?
Markus Stromiedel: Wir stehen gerade in Verhandlungen, die wollen meine Idee patentieren lassen... ;-) Nein, im Ernst, noch hat sich keine offizielle Stelle gerührt. Bin mal gespannt, ob das passiert, meine Geschichte ist ja durchaus provokant.

MK: Wann hatten Sie die Idee zu "Die Kuppel"?
MS: Die Idee zu diesem Buch hatte ich in einer wortwörtlich schlaflosen Nacht. Keine Ahnung, warum ich nicht einschlafen konnte: Ich hatte keine Probleme und auch nicht zu viel Kaffee getrunken, ich war einfach wach! Vielleicht hat ja in mir schon die Geschichte gegärt. Jedenfalls habe ich in diesen Stunden darüber nachgedacht, wie ich als alter Mensch leben wollte und wie nicht. So entstand die Idee der Kuppel.

MK: Wie lange haben Sie gebraucht, unsere Gesellschaft im Jahr 2035 zu erschaffen?
MS: Ich habe insgesamt ein gutes Jahr gebraucht, die Geschichte auszudenken, sie zu schreiben und dann mit meinem Lektor in die jetzige Form zu bringen. War eine abenteuerliche Reise, die mir aber viel Spaß gemacht hat.

MK: Haben Sie sich bei technischen Dingen wie den Tagger beraten lassen?
MS: Wie immer bin ich bei meinen Recherchen tief in das Netz vorgestoßen. Im Internet findet sich ja für alles und jedes Thema einen Fachmann, da ist (neben viel Müll) sehr viel Kompetenz und Wissen. Das muss man nur heben. Manchmal fühle ich mich bei meinen Recherchen wie auf Schatzsuche.

MK: In Ihrer Zukunftsvision gibt es keine einzelnen Staaten mehr. Bewegen wir uns auf ein solches Szenario zu?
MS: Ich denke ja. Vielleicht nicht so schnell, wie von mir beschrieben, aber der Weg geht in diese Richtung. Bis vor kurzem war ein tatsächlich vereinigtes Europa noch undenkbar, doch nach nur weniger Monate Finanzkrise hat sich das Denken total verändert, so dass jetzt auf einmal diskutiert wird, die Finanzhoheit der einzelnen Staaten zu beschneiden! Das ist der erste Schritt.

MK: Die Alterung der Gesellschaft ist ein zentraler Punkt des Romans. Was sollte gegen Altersarmut unternommen werden?
MS: Wichtig ist, dass wir Verantwortung übernehmen, für uns und für andere. Das „Alt sein“ gehört zum Leben dazu. Jedoch habe ich den Eindruck, dass viele den Generationenvertrag gekündigt haben, dass sich viele sich nicht mehr um die Alten – ihre Eltern, ihre Großeltern – kümmern wollen, weil sie sich nicht mehr verantwortlich fühlen. Gäbe es hier untereinander mehr Hilfe, und zwar nicht nur finanzielle, dann würde die Situation besser werden. Ansonsten rate ich jedem, sich auf das Alter vorzubereiten. Das ist ein blödes Thema. Es wegschieben ist sicher einfacher. Aber irgendwann erwischt es jeden.

MK: Waren für diesen Roman auch intensive "reale" Recherchen notwendig?
MS: Nein, da mir das Altern und alte Menschen nicht fremd sind, brauchte ich hier nicht besonders zu recherchieren. Was man außerdem leicht übersieht: In diesem Roman tauchen ja bis auf den Vater der Hauptfigur kaum alte Menschen auf, zumindest nicht als handlungstragende Figuren – eigentlich verblüffend bei dem Thema, oder? Die Recherche lagen allein schon deshalb mehr auf der technischen und gesellschaftlichen Ebene des Buches: Was wird in Zukunft technisch möglich sein, wohin könnte sich unsere Gesellschaft entwickeln?

MK: Sie erzählen den Roman durchweg aus Sicht Ihres Ich-Erzählers Vincent Höfler. Gab es Ihrerseits Überlegungen mit weiteren Perspektiven oder Perspektivwechseln zu arbeiten?
MS: Anfangs hatte ich den Roman klassisch aus der Erzählerperspektive geschrieben, mit Perspektivwechsel und so weiter, aber das wirkte auf mich eigenartig distanziert. Erst bei dem Wechsel der Erzählperspektive hat es bei mir „Klick“ gemacht. Jetzt war ich nahe an der Hauptfigur dran, so wie ich es brauchte. Die Erzählform war zunächst ungewohnt für mich als Autor, aber heute denke ich, dass ich die Geschichte in keiner anderen Perspektive hätte erzählen können. Das nächste Buch werde ich aber wieder klassisch schreiben, die „Ich-Perspektive“ war ein vermutlich einmaliger Ausflug.

MK: Stand Ihr Verlag von Anfang an hinter der Romanidee?
MS: Ja. Ich hatte mit meinem Verlag das Thema nicht besprochen, da ich mich bei der Unterschrift des Buchvertrages nicht auf eine Geschichte festlegen musste und wollte. Mein Lektor war sehr verblüfft, als ich ihm die ersten 150 geschriebenen Seiten zum Lesen gegeben habe, nicht nur wegen des Inhalts, sondern auch, weil sie stilistisch so anders sind im Vergleich zu „Zwillingsspiel“ und „Feuertaufe“. Er hat das dann mit dem Herausgeber diskutiert, danach kam das ganz klare Signal: weitermachen! Der Verlag war mit dem fertigen Manuskript so zufrieden, dass sie sofort ein weiteres Buch in diesem Genre bestellt haben. Und da ich das Genre mag, habe ich mich nicht lange breitschlagen lassen.

MK: Wie wichtig ist für einen Schriftsteller die Arbeit mit einem Verlagslektor?
MS: Die ist sehr wichtig, auch wenn man die meiste Zeit alleine mit seinem Manuskript ist. Aber der Lektor (in meinem Fall ist das Peter Hammans, der Cheflektor von Droemer-Knaur) ist der erste Ansprechpartner, er gibt die erste Rückmeldung auf die Arbeit, er kennt den Stand der Dinge und verteidigt auch schon mal, wenn nötig, ein Manuskript oder eine Idee im Verlag. Und er spricht einem Mut zu, wenn man mal an seiner Arbeit oder der Idee seines Romans zweifeln sollte – und das passiert durchaus schon mal während so vieler Monate Arbeit an einem Text. Die eigentliche Textarbeit übernimmt dann bei mir ein zusätzlicher externer Lektor, Herbert Neumaier, ein sehr erfahrener Mann, der schon mit Johannes Mario Simmel zusammengearbeitet, inzwischen pensioniert hat und immer noch mit großer Bravour den Roststift schwingt. Das ist dann wie Schulaufsatz schreiben: Ich gebe mein Manuskript hin und bekomme es rot korrigiert wieder zurück.

MK: In Ihrer Danksagung erwähnen Sie Trevor Morris und seine Filmmusik, die für Sie zum Soundtrack dieses Buches wurde. Was fasziniert Sie an seiner Musik?
MS: Trevor Morris' Filmmusik ist unwahrscheinlich spannungsgeladen und zugleich geheimnisvoll, eine Stimmung, wie ich sie für meine Bücher brauche. Seine Musik hatte zudem den Vorteil, dass ich mich sehr schnell in die Stimmung der jeweiligen Szene hineinversetzen konnte, an der ich gearbeitet habe, auch nach einer Nacht oder einem Wochenende Pause. Und sie hat mich gezwungen, mit dem Buch fertig zu werden: Denn wenn man die Musik einfach nicht mehr hören kann, dann sollte man langsam zum Ende kommen.

MK: Sie arbeiten ja auch sehr erfolgreich als Drehbuchautor (z.B. für die Stubbe-Reihe im ZDF). Was macht mehr Spaß: das Schreiben von Drehbüchern oder das Romanschreiben?
MS: Ich möchte keinen der beiden Arbeitsbereiche missen. Ich liebe es, Drehbücher zu schreiben, weil ich Filme mag und den Arbeitsprozess mit kompetenten kreativen Partner gut finde. Als Romanautor arbeitet man monatelang alleine an seinem Text – das kann ganz schön einsam sein, und da freue ich mich irgendwann, wenn ich mal wieder ein Drehbuch schreiben kann. Als Drehbuchautor trifft man sich immer wieder zu Gesprächen, das ist in der Regel sehr inspirierend. Nach einer Drehbucharbeit jedoch bin ich meistens froh, wenn ich wieder in aller Ruhe einen Roman schreiben kann, weil mir niemand in meine Geschichte hineinredet.

MK: Würde es Sie Reizen, einen Ihrer Romane in ein Drehbuch umzuwandeln?
MS: Natürlich. Denn im Grunde sind meine Bücher aufgeschriebene Film, jene, die ich in meinem Kopf habe. Die mal auf großer Leinwand zu sehen wäre fantastisch.

MK: Gibt es vielleicht schon Überlegungen in dieser Richtung?
MS: Ich hatte schon die eine und andere Anfrage und habe auch schon einige Verhandlungen geführt, doch noch hat mich keine Filmproduktion überzeugen können. Man muss sehr vorsichtig sein und genau überlegen, wem man die Filmrechte übergibt. Denn die Bilder eines Filmes sind stärker als das Wort, ein Buch kommt nur schwer gegen das Filmbild an. Jeder denkt heute bei Harry Potter an das Gesicht von Daniel Jacob Radcliffe – eine andere Phantasie hat es schwer.

MK: Letzte Frage: An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit?
MS: Als nächstes werde ich an den zweiten Band meiner Jugendbuch-Reihe „Der Torwächter“ schreiben, danach kommt der neue Droemer-Thriller dran – bin selbst schon gespannt.

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