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Interview mit Nicole Drawer

Solange es Menschen gibt, wird es auch Brutalität, Morde und Terrorismus geben.


In Deutschland schaffen immer mehr weibliche Krimiautoren den Sprung auf die Bestsellerlisten. Mit "Das Echo ferner Tage" hat die in Hamburg lebende Kriminaloberkommissarin Nicole Drawer einen packenden Thriller geschrieben, in dem es um Rache und einen Terroranschlag auf deutschem Boden geht. Buchtips.net sprach mit ihr über die Terrorgefahr in Deutschland und über die Entstehung Ihres Romans.

Michael Krause: Neben der Rache an Ann Deckert steht vor allem das geplante Attentat auf eine jüdische Einrichtung im Mittelpunkt des Romans. Wie stark sehen Sie die Gefahr eines solchen Anschlags in Deutschland?
Nicole Drawer: Solange es Menschen gibt, die die Ursache ihres eigenen Unglücks oder Unzufriedenheit in anderen Menschen, Rassen oder Religionen sehen, besteht diese Gefahr überall, nicht nur in Deutschland. Ich selbst kenne Menschen, die, über zehn Jahre jünger als ich, nur von Kümmeltürken sprechen oder der Meinung sind, dass jeder Mensch mit einer anderen Hautfarbe dumm ist. Leider wird das auch an die Kinder weitergegeben. Mein Sohn erzählte mir so manches Mal von rassistischen Äußerungen seiner Schulkameraden. Ich kann ihm dann immer nur sagen, dass das Kinder von äußerst dummen, wenn nicht sogar primitiven Menschen sind. Anders kann ich mir Rassismus nämlich nicht erklären.

MK: Was muss Ihrer Meinung nach unternommen werden, um Terroranschläge in Deutschland zu verhindern?
ND: Wie kann man verhindern, dass ein Kind vergewaltigt und getötet wird? Wie kann man Amokläufe verhindern? Wie kann man verhindern, dass Menschen andere für €20,- töten? Vielleicht kann man das nicht unbedingt vergleichen, aber ich fürchte, solange es Menschen gibt, wird es auch Brutalität, Morde und Terrorismus geben.

MK: "Das Echo ferner Tage" zeichnet sich durch eine komplexe, durchweg spannende Handlung aus. Haben Sie den Plot genau geplant oder sich beim Schreiben inspirieren lassen?
ND: Selbstverständlich entwickle ich erst einmal ein Konzept, aber das werfe ich nach kurzer Zeit wieder über den Haufen. Die besten Ideen kommen mir während des Schreibens und nicht selten verselbständigt sich die Geschichte.

MK: Gibt es neben Ann Deckert Figuren, die Ihnen besonders ans Herz gewachsen sind?
ND: Natürlich sind mir die Figuren von Alex und Ann am wichtigsten aber besonders ist mir Henrieke ans Herz gewachsen. Ihre Redseligkeit geht zwar oft an die Schmerzgrenze des Erträglichen, aber sie ist ein lieber, hilfsbereiter Mensch, der einen anderen nie im Stich lassen würde, auch wenn man bei ihr immer auf der Suche nach einem Aus-Schalter ist. Und mal ganz ehrlich. Jeder hat in seinem Bekanntenkreis jemanden wie Henrieke.

MK: Ihr Sohn hat bei der Entwicklung von Alex entscheidenden Anteil gehabt. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, seine Anregungen umzusetzen?
ND: Überhaupt nicht. Wenn ich mit einer Szene nicht zurecht kam, fragte ich meinen Sohn, was Alex jetzt tun würde? Und immer kam eine Antwort, die absolut logisch war. Die Überlegungen meines Sohnes waren erstaunlich folgerichtig und ich habe mich immer gewundert, wie präsent ihm die Figur des Alex war.

MK: Wie lange hat die Arbeit an "Das Echo ferner Tage" gedauert?
ND: Ungefähr ein dreiviertel Jahr. Ich muss allerdings sagen, dass ich ziemlich faul bin und erst auf der Zielgeraden ranklotze.

MK: Sie sind Oberkommissarin und haben Kriminalistik, Kriminologie und Psychologie studiert. Wann entstand der Wunsch, als Autorin zu arbeiten?
ND: Ich habe schon als Kind Kurzgeschichten für Familie und Freunde geschrieben, aber nie daran gedacht, etwas zu veröffentlichen. Erst als mich ein Buch eines renommierten Autors dermaßen enttäuscht hat, habe ich gedacht, so gut bis du allemal und habe angefangen. Das war 2001.

MK: Haben Sie schriftstellerische Vorbilder?
ND: Nein. Wenn man ein Vorbild hat, will man dem nacheifern. Ich zieh es vor nur ich zu sein. Allerdings gibt es viele Autoren, die mich inspirieren.

MK: Wer ist der erste Leser Ihrer Romane?
ND: Der erste, der ein Manuskript zusammenhängend liest, ist mein Agent. Vorher bekommen nur gute Freunde Auszüge zu lesen um zu testen, ob Stimmungen, wie von mir geplant, eingefangen wurden.

MK: Auf was können sich Ihre Leser als Nächstes freuen?
ND: Der zweite Ann-Deckert-Roman ist in Arbeit, und ich hoffe, dass mein Verlag mitzieht. Ich arbeite aber noch an einem weiteren Buch. Dabei handelt es sich um einen All-Age-Krimi, für den wir noch einen Verlag suchen.
Und, damit ich mich auch ganz bestimmt nicht langweile, schreibe ich mit einem befreundeten Regisseur, Steven Heyland, an einem Drehbuch für einen 90-minütigen Fernsehfilm.

Zum Schluss noch ein paar Schlaglichter, mit der Bitte um eine kurze Antwort.

MK: Morgens: Kaffee oder Tee?
ND: Ohne Kaffee geht bei mir gar nichts.

MK: Zum Frühstück: Focus oder Spiegel?
ND: Natürlich Spiegel.

MK: Am Abend: Fisch oder Fleisch?
ND: Fisch.

MK: Im Kino: US-Filme oder deutsche Produktion?
ND: Ich fürchte, was Unterhaltung angeht, verlässt mich mein Patriotismus. Daher: US- Produktionen.

MK: Zur Entspannung: Musikantenstadl oder MTV?
ND: Ist diese Frage ernst gemeint? MTV!

MK: Liebe Frau Drawer, wir danken Ihnen für dieses Interview!

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