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Interview mit Christoph Scholder

Kontroverse ist die Atemluft der Demokratie


Mit "Oktoberfest" hat Christoph Scholder ein heiß diskutiertes Thrillerdebüt vorgelegt. Im Zentrum steht ein Terroranschlag auf das größte Volksfest der Welt. Buchtips sprach mit dem Autor über die heftigen Reaktionen auf seinen Roman. Michael Krause: Ihr Roman hat einige kontroverse Diskussionen ausgelöst. Hat Sie die Reaktion vor allem in München überrascht?
Christoph Scholder: Ja, die Heftigkeit der Reaktionen hat mich überrascht. Zumal kaum einer der Empörten auch nur eine Zeile des Buches gelesen hatte. Dass ein Buch Diskussionen auslöst, ist ja zunächst einmal gut. Das bedeutet in meinen Augen, dass ich als Künstler nicht alles falsch gemacht haben kann. Schließlich ist die Kontroverse gleichsam die Atemluft der Demokratie. Die Kunst des Thrillerautors besteht ja gerade darin, mit realen Ängsten zu spielen, sie sozusagen zum Oszillieren zu bringen. Aber im Thriller ist der Schrecken Fiktion, die Angst bleibt zwischen den Buchdeckeln. Ich kann mir diese Reaktionen eigentlich nur so erklären, dass einige Leute sich sehr erschrocken haben, als sie in einer solchen Geschichte plötzlich die Straßennamen wiedererkannt haben. Wenn in einem Buch halb Skandinavien im Meer versinkt oder eine Atombombe beim Superbowl explodiert, dann ist das gute Unterhaltung. Wenn ein ähnliches Szenario in München durchgespielt wird, hagelt es plötzlich Proteste. Das ging soweit, dass der Sprecher der Oktoberfest-Wirte im Rundfunk gesagt hat, das Buch brenne sicher gut. Das finde ich eine sehr bedenkliche Äußerung. Und zwar unabhängig von der Tatsache, dass es sich dabei um mein Buch handelt.

MK: Wie ist die Idee entstanden, das Oktoberfest in den Fokus eines Terroranschlags zu rücken?
CS: Die Idee hatte ich schon vor fünfzehn Jahren – in einem Bierzelt auf dem Oktoberfest. Ich bin bestimmt nicht der einzige, der nach ein paar Maß Wiesn-Bier auf eine komische Idee gekommen ist, aber meistens vergisst man solche Ideen dann wieder. Bei mir hatte sich die Idee allerdings festgesetzt. Ich wusste seitdem: Das Oktoberfest ist eine tolle Kulisse für einen Thriller.

MK: Ihr Roman spielt im Jahr 2004. Warum haben Sie die Handlung nicht weiter in die aktuelle Gegenwart verlagert?
CS: Ich wollte die Fiktionalität der Geschichte betonen. Meine Intention war es ja gerade nicht, als düsterer Prophet aufzutreten oder etwa eine Analyse der realen Gefahrenlage auf dem Oktoberfest zu schreiben, sondern einen spannenden Agentenroman.

MK: "Oktoberfest" spielt an verschiedenen Schauplätzen rund um den Globus. Wie umfangreich und schwierig waren Ihre Recherchen?
CS: Der Rechercheaufwand war erheblich. Nicht nur, dass ich mich mit den technischen Einzelheiten befassen musste, sondern auch mit den verschiedenen Schauplätzen. Einige kenne ich aus eigener Erfahrung, andere aus Reiseführern oder den Berichten von Bekannten. Grundsätzlich gilt: Bibliotheken sind das wichtigste Hilfsmittel. Informationen aus dem Internet sind ja nicht wirklich belastbar. Über die konkrete Recherche kann ich öffentlich nicht sprechen. Sie werden verstehen, dass ich meine militärischen und geheimdienstlichen Quellen schützen muss. Es gibt einen klassischen Satz des Agenten-Genres, der das gut beschreibt: "Ich könnte es Ihnen sagen, aber dann müsste ich Sie töten."

MK: Haben Sie Angst, dass das von Ihnen erdachte Szenario einmal Wirklichkeit wird?
CS: In die Geschichte sind ja viele Unwahrscheinlichkeiten eingewoben. Das Szenario, das in dem Roman erzählt wird, kann so aller Wahrscheinlichkeit nach nicht stattfinden. Trotzdem bergen Massenveranstaltungen immer ein Risiko. Man sollte die radikale Raserei, in die sich Fanatiker reinsteigern können und die wahnwitzige Energie, die sie dabei freisetzen, nicht unterschätzen, aber sich auch nicht über Gebühr verrückt machen lassen. Ich kann jedenfalls mit der berühmten bayerischen Bierruhe auf dem Oktoberfest meine Maß trinken.

MK: Haben Sie sich für die in Ihrem Roman agierenden Politikern von echten Vorbildern inspirieren lassen?
CS: "Alle Personen des Romans sind frei erfunden", heiß es im Vorwort. Und das meine ich auch so. Allerdings kann ich in diesem Zusammenhang auf einen soziologischen Begriff verweisen. Max Weber hat zur Beschreibung der sozialen Wirklichkeit das Instrument des "Idealtypus" erfunden. Was ich versuche, ist also die Beschreibung bestimmter Menschentypen und nicht einer konkreten, realen Person.

MK: Sie haben Soziologie, Philosophie und Psychologie studiert und an Universitäten gelehrt. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
CS: Ich habe als Kind schon kleine Geschichten geschrieben. Und schon damals waren das Krimis. Das Phänomen der Spannung fasziniert mich schon lange. Und ich habe mir immer gesagt: Irgendwann schreibst du mal ein Buch. Dann kam der Punkt, an dem mir klar wurde: Entweder du schreibst das Buch jetzt – oder du wirst es niemals tun. Also habe ich mich hingesetzt und angefangen.

MK: Wie lange hat die Arbeit an Ihrem Debütroman gedauert?
CS: Die Mission "Oktoberfest" hat mich alles in allem fast vier Jahre beschäftigt – mal intensiver, dann wieder schleppend. Ich brauche zum Schreiben einen inspirierenden Impuls, den ich nicht erzwingen kann. Die Disziplin, mich zu festen Zeiten an den Schreibtisch zu setzen, kann ich nicht aufbringen. Sie würde meiner Arbeit auch nicht bekommen. Ich kann leider nicht nach Stundenplan geistreich sein.

MK: Gibt es bereits Überlegungen, "Oktoberfest" zu verfilmen?
CS: Darüber kann ich nichts Definitives sagen. Das sind ungelegte Eier.

MK: Wird es einen weiteren Roman mit Wolfgang Härter geben?
CS: Dazu kann ich eine definitive Antwort geben: Ja!

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