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"Ich genieße die Freiheit, in neue Welten einzutauchen"

Mit "Amen" legt der in einem kleinen Dorf bei Köln geborene Autor Rudi Jagusch nach drei Regionalkrimis jetzt einen packenden Thriller vor. Im Gespräch mit Buchtips verriet er uns unter anderem, wie der Thriller entstanden ist und warum er Stephen King bewundert.

Michael Krause: Hat sich die katholische Kirche schon bei Ihnen beschwert, weil Sie eine der größten Kathedralen in die Luft jagen wollen?
Rudi Jagusch: Da muss ich etwas klarstellen: Nicht ich will dem Dom was, sondern meine Romanfigur Roman Winter. Nein, im ernst: Ich bin kurz nach Veröffentlichung des Romans zu einem freundlichen Interview beim Domradio eingeladen gewesen. Ich denke, es zeigt sehr schön, dass zwischen der katholischen Kirche und mir kein Groll besteht.

MK: Was hat Sie nach den Regionalkrimis gereizt, jetzt einen Thriller zu schreiben?
RJ: Die Abwechslung. Ich möchte mich nicht nur auf ein Ding festlegen (lassen), möchte vielfältig und aufgeschlossen bleiben.

MK: Stand von Beginn an fest, dass sich Roman Winter den Kölner Dom als Ziel für seine Erpressung aussucht?
RJ: Der Kölner Dom sollte es von vornherein sein. Nicht nur, weil der Dom eins der wichtigsten Symbole des Christentums ist (und sich somit ausgezeichnet für eine Erpressung eignet). Sondern auch, weil ich den Dom liebe. Ich fand es wunderbar, bei der Recherche mehr über das Gebäude zu erfahren. Die Figur Roman Winter gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht, der kam erst später dazu und setzte sich in die Mitte des Kirchenschiffes.

MK: Wie entstehen Ihre Figuren? Gerade Roman Winter ist ja ein sehr komplexer, interessanter Charakter.
RJ: Die Figuren entwickeln sich bei mir im Detail während des Schreibens. Ich möchte mich am Anfang nicht zu sehr festlegen, schließlich sollen sie Raum haben, sich einzubringen. Dabei erlebe ich hin und wieder Überraschungen. Es gibt in meinen Romanen Figuren, die sich beim Kennenlernen ganz anders darstellten, als zum Schluss der Geschichte.

MK: War die überraschende Kehrtwendung am Ende von "Amen" so geplant oder hat sich dieses Finale erst beim Schreiben ergeben?
RJ: Das Ende war so geplant. Die anfängliche Gefahr für die ganze Stadt - und ja sogar darüber hinaus - wollte ich von vorn herein zum Ende hin so weit reduzieren, dass aus dem allgemeinen Drohszenario eine individuelle Bedrohung wird.

MK: Was hat bei "Amen" mehr Zeit in Anspruch genommen: Die Recherche, das Vorbereiten, das Schreiben oder die Korrektur?
RJ: Für die Entwicklung von "Amen" habe ich sehr lange gebraucht. Es lag aber eher daran, dass andere Projekte vorrangig waren. Somit lief auch die Recherche eher schleppend und nicht unbedingt zielgerichtet, soll heißen, ich habe auch Dinge in Erfahrung gebracht, die vollkommen unnötig für den Roman waren. Als ich mir dann selbst den Startschuss gegeben hatte, lief alles wie am Schnürchen. Gefühlt habe ich für den Plot am längsten benötigt.

MK: Wann haben Sie für sich beschlossen: Ich will Autor werden?
RJ: Beschließt man so etwas? Ich finde, es ist eher eine Entwicklung mit Höhen und Tiefen. Irgendwann stellt man dann fest: Es reicht, du kannst davon leben. Und ab dem Zeitpunkt habe ich mich selbst auch als Autor gefühlt und gesehen.

MK: Können Sie sich noch an Ihre erste Geschichte erinnern, die Sie geschrieben haben? Was ist daraus geworden?
RJ: Es war eine SF-Geschichte: atomarer Feuerball, die Menschen flüchten in den Untergrund und entwickeln dort eine neue Gesellschaft. Alles noch auf Schreibmaschine getippt. Leider habe ich keine Ahnung, wo dieses frühe Meisterwerk abgeblieben ist.

MK: Welchen Stellenwert nimmt das Schreiben in Ihrem Leben ein?
RJ: Vom Hobby zum Beruf. Inzwischen trägt es zum Lebensunterhalt meiner Familie bei. Davon abgesehen möchte ich keinen Schreibtag missen. Ich schreibe immer noch mit dem gleichen Enthusiasmus wie zu Beginn meiner Laufbahn. Ich genieße die Freiheit, in neue Welten einzutauchen und selbst zu bestimmen, wie sich eine Geschichte fortsetzt.

MK: Gibt es Autoren, die Sie besonders geprägt oder beeinflusst haben?
RJ: Stephen King. Aber aus einem ganz anderen Grund, als man zunächst vermuten mag: Ich bin beeindruckt von seiner Schreibdisziplin und von seinem Output über Jahrzehnte hinweg. Wenn einer den inneren Schweinehund bezüglich des Schreibens überwunden hat, dann er. Selbst unter widrigsten Umständen schreibt er. Davon habe ich mir eine Scheibe abgeschnitten (oder von mir aus auch nur ein Scheibchen).

MK: Vor "Amen" haben Sie u.a. drei Eifelkrimis veröffentlicht. Welche besondere Beziehung haben Sie zu dieser Region?
RJ: Ich liebe den Eifler als Typ. Er ist ehrlich und weiß, was er will. Unangenehme Überraschungen erlebt man mit ihm eher selten. Räumlich gesehen lebe ich am Rande der Eifel. Somit möchte ich den deutschen Dichterfürsten, The Godfather der heimischen Lyrik, bemühen: Warum in die Ferne schweifen, wenn das gute liegt so nah?

MK: In einem früheren Interview habe ich gelesen, dass Sie sich ein tägliches Schreibpensum von 6.000 Zeichen pro Tag vornehmen. Steht diese Marke immer noch?
RJ: Die Marke steht unverändert. Obwohl ich inzwischen an den meisten Tagen locker winkend daran vorbeiziehe.

MK: Nach Regionalkrimis und Thriller. Würde Sie auch ein komplett anderes Genre reizen?
RJ: Durchaus, wobei ich das dann als Erweiterung meiner derzeitigen Bandbreite betrachten würde. Science Fiction wäre zum Beispiel solch ein Genre und ich habe auch bereits Kontakte geknüpft. Mal sehen, ob ich irgendwann in naher Zukunft zu den Sternen reisen werde.

MK: Sie führen regelmäßig Lesungen durch. Wie wichtig ist der Kontakt zu ihren Lesern?
RJ: Ich freue mich über jede Lesung. Der direkte Kontakt zu meinen Leserinnen und Leser ist mir äußerst wichtig. Zum einen erfahre ich im Feedback sofort, was ankommt und was nicht. Zum anderen nehme ich auch gerne Anregungen und Verbesserungsvorschläge mit. Motto: Niemand ist vollkommen, alles kann man verbessern.  Der zwischenmenschliche Smalltalk bereichert und rundet einen Leseabend zusätzlich ab.

MK: Wird es ein Wiederlesen mit Martin Landgräf geben?
RJ: Von meiner Seite ist es bisher nicht geplant. Aber: Man soll nie nie sagen. Die Figur Martin Landgräf ist vielschichtig und bietet Raum für weitere Entwicklungen. Das könnte ich für eine Fortsetzung als Basis nutzen. Auch kann ich mir vorstellen, wieder an der Seite von Martin platz zu nehmen und ihm über die Schulter zu schauen.

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