Das Jahr 2011 ist für den Musiker Heinz Rudolf Kunze ein ganz Besonderes. Im Frühjahr feierte er mit
seinem neuen Album "Die Gunst der Stunde" und einer dazugehörigen Tournee sein 30jähriges Bühnenjubiläum. Jetzt erschien im
Aufbau-Verlag sein Buch "Vor Gebrauch schütteln", das er seinem Publikum von September bis November
auf einer Lesereise quer durch Deutschland präsentieren wird.
Die Frage, ob er mit seinem Werk eine bestimmte Botschaft vermitteln möchte, verneint Heinz Rudolf Kunze vehement. "Über
dieses Frage habe ich schon in einem früheren Werk gewitzelt und gesagt, wenn Künstler eine Botschaft haben, würde ich gerne
meine Ausreise beantragen." Auch ohne konkrete Botschaft ist der Rockpoet kreativ. Ich möchte wissen, ob es für ihn einen
Unterschied macht, einen Song- oder einen Prosatext zu schreiben. "Das zeigt sich nach wenigen Worten, in denen klar wird, ob man
das Ding vertonen kann oder nicht. Bei manchen Texten merkt man sofort, das sperrt sich gegen Musik. Das weiß ich jedoch nicht
vorher. Ich fange mit einer kurzen Impression an. Das kann ein Bild, ein Wort oder auch ein ganzer Satz sein. Das schreibe ich auf
und schaue, wo mich das hinführt. Über dieses Thema habe ich schon einmal mit Helge Schneider philosophiert und wir sind zu dem
Ergebnis gekommen, dass unsere ähnliche Art zu schreiben, wie moderner Jazz daherkommt, zumal es noch hunderte unveröffentlichte
Texte gibt, die noch in einer Schublade schlummern." Das Problem einer Schreibblockade schient Heinz Rudolf Kunze nicht zu kennen.
"Das ist mir Gott sei Dank nie passiert. Ich habe das bei einigen befreundeten Kollegen miterlebt. Vor dem leeren Nichts zu sitzen,
ist die Hölle. Wahrscheinlich ist mein geradezu panisches vieles Schreiben, mein ständiger Kampf gegen diese Angst." Von Heinz
Rudolf Kunze ist bekannt, dass er über eine imposante Musiksammlung verfügt. In unserem Gespräch verrät er mir, dass seine
Büchersammlung in nichts nachsteht. Beeinflusst haben ihn sicherlich viele Autoren. Anfang der 70er war es die Poplyrik von Autoren
wie Rolf-Dieter Brinkmann oder Wolf Wondraschek, wobei er zum Schreiben eher dazu gekommen ist, was andere Songwriter erzählt
haben. Hier ist vor allem ein Name auffällig – Bob Dylan. "Es ist erstaunlich, dass er auch für viele junge Autoren und Musiker
immer noch so prägend ist." Als wir uns wieder seinem Werk zuwenden, möchte ich wissen, wie viel von Heinz Rudolf Kunze in seiner
Figur Trubschacher steckt. "Den Trubschacher habe ich vorgeschickt, um manchmal Sachen zu sagen, die ich nicht unterschreiben
möchte. Er ist ein Hilfsego, das ab und zu mal auftaucht. Da war bei mir schon immer so, dass da wo Ich steht, nicht immer Ich
drinnen ist. Es macht mir einfach Spaß verschiedene Rollen zum Sprechen zu bringen. Für mich ist das Schreiben kein verlängertes
Tagebuch. Manches deckt sich mit meiner Meinung, manches sage ich aber auch, was ich als Privatmensch keinesfalls unterschreiben,
sondern einfach nur sagen möchte. Aus Gründen der Neugier oder aus Gründen der Frechheit werfe ich manchmal einen bösen Hut in den
Ring und habe dann Spaß über die Irritationen beim Leser und Hörer."
Mit diesen Worten endet unser Gespräch und eine halbe Stunde später gehen im gut gefüllten Saal die Lichter aus. Begleitet von Jan
Drees, einem jungen Instrumentalmusiker, der Gitarren- und Percussiontöne zu einem wunderbaren Klangteppich vermischt, liest Heinz
Rudolf Kunze gut zwei Stunden aus seinem Werk. Mit spitzfindigen, ironischen und nachdenklichen Passagen zieht er das Publikum auf
seine Seite. Nach einem deftigen aber wahren Ausblick in die zukünftige Samstagabendunterhaltung ist die Lesung beendet. Natürlich
lässt das Publikum Heinz Rudolf Kunze nicht ohne Gesang von der Bühne. Mit "Alaska Avenue" und "In der Mitte der Sanduhr" gibt es
zwei Songs im akustischen Gewand, welche die Veranstaltung ausgezeichnet abrunden. Das er danach seinem Publikum für Autogramme und
Fotos zur Verfügung steht, macht den Künstler nur noch sympathischer.Weitere Artikel hier