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Alain Jaubert: Fotos, die lügen

Fotos, die lügen

von Alain Jaubert
Verlag: Athenäum-Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-610-08523-1

Preis: 29,10 Euro bei Amazon.de [Stand: 28. März 2024]
"Fotos, die lügen" ist eines der besten Sachbücher, welches ich kenne. Es befasst sich mit der Manipulation von Fotos bedeutender Persönlichkeiten in Diktaturen. Durch "Politik mit gefälschten Bildern" wurden unbequeme Pesönlichkeiten, die in der Diktatur in Ungnade gefallen waren, einfach wegretouchiert. Nicht umsonst hat der Verfasser ein Zitat aus Orwells berühmten "1984" als Einleitung zu seinem Band gewählt: "Und irgendwo saß, ganz anonym, der Gehirntrust, der das alles koordinierte und die politischen Grundlinien festlegte, die es erforderlich machten, daß dieses Bruchstück der Vergangenheit aufbewahrt, jenes gefälscht und wieder ein anderres ausgelöscht wurde."

In einer Einleitung wird zunächst ausführlich auf die Technik des Retuschierens eingegangen und die Mittel der "Abhebung", des "Ausschnitts", der "Retusche" eingegangen, bevor die Praxis dieser Techniken in den Diktaturen erläutert wurde. Beispiele der Retouchierung sind etwa Trotzki, Kamenew, Sinowjew und andere politische Gegner Stalins, in China die sogenannte "Viererbande" oder Lin Piao, ein früherer Mao-Gegner. Doch auch Mussolini und Hitler erwiesen sich als "Herren der Bilder". Nach dem Kriege waren es insbesondere die tschechischen Kommunisten, die unbequeme Persönlichkeiten, etwa Clementis oder Dubcek, einfach "wegretouchierten". Meisterhaft etwa auch die Tatsache, dass das weltberühmte "Portrait" des kubanischen Revolutionärs Che Guevara, das "Symbol" der Studentenrevolte von 1968, eine Fälschung war.

Dieser Band zeigt beeindruckend Fotos in Original und Fälschung. Mir selber lief es zeitweise kalt den Rücken herunter, als ich sah, wie Geschichte "gemacht" wird. George Orwells 1984 war eben bereits zum Zeitpunkt seiner Entstehung, 1948, Wirklichkeit, wie dieser fulminante Band beweist. Wie heißt es in der Einleitung: "Ja, Orwell hatte recht. Aber nicht ganz. Er hatte den Irrsinn, den Fetischismus und den letzten Endes beruhigenden Irrsinn des Systems vergessen. Verborgene Öfen, die die täglichen ausgaben der Times verbrennen? Mag sein, doch wer glaubt, was in der Prawda steht, und an das, was man ihm in den Museen zeigt...? Die vagte Andeutung eines demokratischen frühlings in der Tschechoslowakei genügte, daß alsband die getürkten Fotos der tschechischen Geschichte mit ihren Originalfassungen auftauchten. Also hatte sie jemand aufbewahrt! Also hatte man nicht gewagt, sie zu vernichten! Das Erschrecken vor der fotografischen Gewißheit hatte die Schreckensherrschaft über die Leiber besiegt."
Fazit
Die Tatsache, dass die Fotografien der "Gehängten, Vergaßten und Erschossenen", der "Erniedrigten und Beleidigten" (Dostojewski), der stummen Märtyrer und Helden der totalitären Diktaturen hier veröffentlicht worden sind, zeigt, dass die Erinnerung an die Wahrheit eben doch nicht "totzukriegen" ist - und dies ist für mich ein Stück Hoffnung, dass sich eine bessere Welt letztlich durchsetzen kann. Dass dieser Band zur - gewaltsam totgeschwiegenen - Wahrheitsfindung beiträgt (jedes Foto enthält eine sehr bewegende "Geschichte") ist sein unbestreitbares Verdienst.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 27. März 2004

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