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Gerd Schultze-Rhonhof: 1939 - der Krieg, der viele Väter hatte

1939 - der Krieg, der viele Väter hatte

von Gerd Schultze-Rhonhof
Verlag: Olzog Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-7892-8117-4

Preis: 48,00 Euro bei Amazon.de [Stand: 29. März 2024]
Bei diesem Buch handelt es sich um ein übles revanchistisches Machwerk, welches das Ziel hat, die Mitschuld bzw. Schuld Deutschlands am Entstehen der Weltkriege zu leugnen. Dabei haben Fritz Fischer mit seinem heute noch wegweisenden Werk "Deutschlands Griff zur Weltmacht" von 1961 sowie sein "Krieg der Illusionen" von 1962 und zahlreiche weitere Autoren eindeutig die Entwicklung zum ersten und zum zweiten Weltkrieg untersucht. Diese Publikationen nimmt Schultze-Rhonhof nicht zur Kenntnis. Der Autor erweckt hier den Eindruck, Großbritannien sei Schuld an der Entstehung beider Weltkriege. Richtig ist zwar, dass Großbritannien eine klassische Gleichgewichtspolitik betrieb und verhindern wollte, dass ein Land auf dem europäischen Kontinent zur Hegemonialmacht in Europa aufsteigen konnte. Allerdings kann keine Rede davon sein, dass Großbritannien einen Weltkrieg wollte und Deutschland, wie der Autor hier suggeriert, bewußt die Kriegsschuld zuspielen wollte, wie er zu Beginn seines Wälzers behauptet (S. 23). Im Gegenteil. Volker Ullrich weist in seiner Geschichte über das Kaiserreich detailliert nach, dass Großbritannien bis buchstäblich zum Kriegsbeginn alles tat, um einen Ausgleich in der Flottenfrage zu erreichen und den Kriegsbeginn zu verhindern. Es war doch die Verletzung der belgischen Neutralität, die Großbritannien letztlich bewog, in den Krieg einzutreten. Wer hier genauer informiert werden möchte, sollte Sebastian Haffners "Die sieben Todsünden des Deutschen Reiches im ersten Weltkrieg" zur Hand nehmen. Hier werden die wahren Ursachen des ersten Weltkrieges benannt: die Abkehr von der maßvollen Außenpolitik Bismarcks, der Schlieffenplan, die Verletzung der belgischen Neutralität. All dies kommt in der einseitigen Darstellung Schultze-Rhonhofs nicht vor. Was soll man sonst noch viele Worte machen? In diesem Stil geht es dann munter weiter. Alles, was dem Autor, der kaum Quellen zu seinen abstrusen Thesen angibt, nicht in den Kram passt, wird Auflagen der Siegermächte nach 1945 in die Schuhe geschoben. Hitler sei gar nicht so aggressiv gewesen, wird suggeriert, dass Hoßbach-Protokoll von 1937 sei sinnverfälschend wiedergegeben worden. Hanebüchen. Zu recht fragte der Rezensent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 26.11.03: "Worauf zielen diese dunklen Andeutungen? Konnte sich die Zeitgeschichsforschung in der Bundesrepublik Deutschland nicht frei entfalten? Aber nicht nur die Forschung ist dem Autor verdächtig, sondern auch so renommierte Quellen wie die "Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918 bis 1945", die "zu Gunsten der Sieger gewaschen worden seien."

Schultze-Rhondorf stellt hier wirklich - wie die FAZ völlig richtig bemerkt - die Ergebnisse der bisherigen Forschung zu den beiden Weltkriegen auf den Kopf. Als die eigentlichen Verursacher des 2. Weltkrieges erscheinen in der Tat Frankreich und Großbritannien. Kein Wort davon, dass die deutsche Rüstungspolitik mehr wollte als den Gleichstand mit den Nachbarn - nämlich die Eroberung von "Lebensraum", wie es Hitler bereits am 3. Februar 1933 vor der versammelten Reichswehrführung erklärte.

Es ist unglaublich, dass ein solches Buch solch positive Wertungen findet und - auch hierin ist der FAZ recht zu geben - dass ein Bundeswehroffizier heute ein solches revanchistisches Geschichtsbild öffentlich vertreten kann. Leider passt es in eine Tendenz, die deutsche Schuld am 2. Weltkrieg zu leugnen und die Deutschen als unschuldige Opfer darzustellen. Dies scheint auch die Absicht des Autors zu sein.
Fazit
Wer über die Zeit zwischen 1871 und 1945 gut informiert werden möchte, sollte zu den Bänden Christian Graf von Krockows "Deutschland 1890-1990", Gordon A. Craigs "Deutschland 1866-1945" und anderen seriösen Geschichtsforschern greifen, nicht jedoch zu diesem üblen revanchistischen Machwerk. Dies ist sicherlich ein hartes Urteil, meines Erachtens aber zutreffend. Null Punkte !
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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 10. Februar 2004

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