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Thea Leitner: Skandal bei Hof: Frauenschicksale an europäischen Königshöfen

Skandal bei Hof: Frauenschicksale an europäischen Königshöfen

von Thea Leitner
Verlag: Piper Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Biografie
ISBN-13 978-3-492-12009-8

Preis: 2,88 Euro bei Amazon.de [Stand: 27. März 2024]
Das vorliegende Buch hat mich ungeheuer fasziniert, so dass ich es als Weihnachtstipp hier vorstellen möchte. In diesem Werk stellt die österreichische Autorin fünf Frauen an verschiedenen europäischen Königshöfen vor. Sie alle, teilweise miteinander verwandt, hatten ein "Schicksal": sie liebten nicht denjenigen, mit dem sie - aus dynastischen oder politischen Gründen - verlobt und verheiratet wurden, sondern jemand anderen. Dieser Liebhaber oder die jeweilige Prinzessin selber mussten dafür büßen...
In einem Vorwort schildert die Autorin die Motivation, die Schicksale der verschiedenen Frauen aufzugreifen und fesselnd zu erzählen: Thea Leitner belegt, dass die sogenannten Skandale in unserer Zeit ein laues Lüftlein seien gegen die Schicksale in den vergangenen Jahrhunderten, in denen die Liebe noch das Leben kostete oder die Gefangenschaft.
Am Beispiel von fünf Frauenschicksalen schildert Thea Leitner die Chronique scandaleuse von anderthalb Jahrhunderten zwischen 1666 und 1821. Ausgewählt wurden Fürstinnen, die entweder mit Maria Theresia aus dem Hause Habsburg oder mit Maria Stuart verwandt waren. Geschildert wird das Schicksal von Sophie Dorothea aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg, die sich in Philipp Christoph von Königsmarck verliebte. Dieser wurde daraufhin ermordet, die Prinzessin in Ahlden bei Celle für den Rest ihres Lebens eingekerkert. Thea Leitner versteht es, dieses Schicksal so fesselnd nachzuzeichnen, dass es sich wie ein Kriminalroman liest. Dies ist auch der Fall bei den weiteren einfühlsamen Portraits, die gleichzeitig ein Spiegelbild ihrer Zeit darstellen: so die Biographie von Elisabeth Charlotte, besser bekannt als Lisselotte von der Pfalz, Nachkomme der Maria Stuart. Besonders beeindruckend liest sich auch das wechselhafte Schicksal der Schwester Friedrichs des Großen, Wilhelmine, die ihren Bruder vergötterte und - wie aus dem lesenswerten Portrait deutlich wird - auch als einzige Person ihres kurzen Lebens wirklich liebte - was auf Gegenseitigkeit beruhte. Der Misanthrop Friedrich liebte meines Wissens wirklich nur einen Menschen tief und innig: seine ihm charakterlich so wesensverwandte Schwester.
Besonders interessant ist das Kapitel "Staatsstreich nach dem Maskenball". Dies weniger wegen der portraitierten Prinzessin Mathilde, der Gattin des schwachsinnigen dänischen Monarchen Christian VII., sondern als Portrait von Graf Struensee, dem "Gorbatschow" Dänemarks, der seine für die damalige Zeit sehr humanen Ziele mit Hilfe dieser Frau, die er wohl wirklich geliebt hat, durchsetzen wollte und damit scheiterte; er wurde grausam hingerichtet. Wesentlich besser strukturiert als als Enquists kürzlich erschienener Roman: "Der Besuch des Leibarztes" wird hier das Wesentliche der verwickelten Liebesgeschichte der beiden Persönlichkeiten herausgearbeitet und auf die Bedeutung des Reformers hingewiesen. Wer Enquists Buch liest, sollte vorher unbedingt dieses Kapitel zur Einführung lesen; es lohnt sich.
Gut gelungen auch das letzte Kapitel, in welchem das Schicksal Karolines nachgezeichnet wird, die mit dem von ihr gehassten Georg IV. von England verheiratet wird.

Nicht nur diese Personen, auch ihre Verwandten, etwa die charakterstarke Sophie von Hannover, die beinahe Königin von England geworden wäre, werden genauestens und sehr sehr feinfühlig portraitiert.

Es handelt sich um wunderbare Portraits; man kann sich als Leser richtig in die Personen und die Zeit versetzt fühlen; mit meisterhaftem psychologischen Falkenblick werden Personen und historische Zusammenhänge erklärt und somit ein Interesse für eine Zeit geweckt, die zeigt, wie furchtbar es zeitweise sein konnte, den "Falschen" zu lieben; nichts schützte vor Strafe und Rache, auch kein noch so hoher Rang.
Fazit
Sehr sehr eindrucksvoll und unbedingt empfehlenswert.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 23. Dezember 2003

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