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Giaconda Belli: Die Reublik der Frauen

Die Reublik der Frauen

von Giaconda Belli
Verlag: Pattloch [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-426-19915-2

Preis: 3,95 Euro bei Amazon.de [Stand: 18. April 2024]
Eine literarische Reflektion

Testosteronmangel, das war die Chance in diesem fiktiven kleinen südamerikanischen Land Faguas mit seinen (ebenso fiktiven) drei Millionen Einwohnern.

Ein Vulkanausbruch setzte giftige Gase frei, welche konsequent auf Männer sehr, sehr verharmlosend, träge machend wirkten. Testosteron wurde abgebaut im männlichen Körper. Die Chance für die Frauen des Landes, die Chance für die "Partei der erotischen Linken" (PIE), auf deren Fahne als Symbol ein Frauenfuß mit rot lackierten Nägeln prangt. Sie gewinnt die Wahlen und macht sich daran, das gesamte Land umzukrempeln.

Weg von der Korruption, weg davon, dass Gesetze immer nur zur Beugung durch die Mächtigen vorhanden waren, weg von Ungleichheit und Unfreiheit.
Polizei und Sicherheitskräfte, alles wird angeführt von Frauen. In der gesamten Verwaltung ist kein Platz mehr für Männer. Ein "stiller Staatstreich" sondergleichen, an der Spitze Viviana Sanson, die neue Präsidentin und ihre Ministerinnen, jede mit ausgeprägtem Charakter und ganz eigener Geschichte. Und durchaus auch viele der Männer lassen sich im Lauf der Zeit überzeugen, dass diese Frauen Regierung vieles zum Besseren gewendet hat.

Viele, aber nicht alle Männer. Und so langsam lässt auch die Wirkung des Gases nach, das "Männliche" regt sich wieder hier und da und regt sich durchaus auf. Was schon zu Beginn des Buches deutlich im Raume steht. Ein Attentat auf die Präsidentin findet statt und von dieser Ausgangslage aus rollt Belli das gesamte Projekt der "neuen Regierung", der "weiblichen Werte" vor den Augen des Lesers aus. Schildert aus diversen Perspektiven, beginnend bei der Präsidentin, die im Zwischenstadium zwischen Tod und Leben ihr Leben Revue passieren lässt über ihre Wegbegleiterinnen und anderen Figuren des Landes.

In hochwertiger Sprache stellt Belli ihr Thema dar. Sie, die selbst Befreiungskämpferin war, die selbst für die Ideale und die Werte der Freiheit und der Demokratie angetreten ist, lässt anhand der Polung zwischen männlichen und weiblichen Herangehensweisen das ständige Scheitern wirklicher Demokratie, die ständige Beschneidung der breiten Freiheit durch Eigensinn, Machtanspruch und Korruption Revue passieren. Vor allem die energische und vorantreibende lesbische Ministerin Martina steht hier als Symbol für absolute bürgerliche Freiheiten, die in ihrer eigenen Geschichte lange genug ihre Neigung hat verbergen müssen. Sie leitet nun das "Ministerium für unbegrenzte Freiheiten". Aber nicht nur in dieser Hinsicht, in so vielem versuchen die Frauen einen ganz anderen Anfang zu setzten. Ob sich diese Utopie an den Realitäten bricht oder durchsetzt, zumindest im Roman?

Ein wenig platt wirkt es schon zunächst, die beiden Pole, die Belli aufbaut. Dennoch gelingt dieser Kunstgriff, das Männliche als fordernd, aggressiv, individuell, nur auf den eigenen Vorteil bezogen zu charakterisieren und demgegenüber die Fiktion einer Führung aufzubauen, die das Gemeinschaftliche, das "Aufgeräumte", das Freie in den Mittelpunkt rückt.

So bietet das Buch sowohl vordergründig ausgereifte psychologische Charakterstudien der Protagonisten und im Gesamten eine literarische Form der freien, der möglichen Gesellschaftsform. "Ordnung schaffen in diesem schmutzigen Haus", das ist das Ziel der Frauen und das ist sicherlich auch der tiefe Wunsch der Giaconda Belli. Eine Illusion?
Belli selbst hat das ja alles miterlebt, die Hoffnungen, die Enttäuschungen, das Abgleiten wieder in althergebrachte Strukturen und das Wagnis immer wieder eines neuen Anfangs.
Fazit
Spannung findet sich in diesem Roman nicht, wohl aber eine kluge Überlegung über das, was dieser Welt an Demokratie und Freiheit helfen könnte, woher dies wohl nicht kommen wird (aus Erfahrung) und woher dies zu beziehen wäre (als Experiment), in einer nur auf den ersten Blick "merkwürdigen" dann aber im Buch durchaus funktionierenden "Machtkonstellation". Die nicht aus Einsicht heraus entsteht oder aus Mehrheiten heraus, sondern für die es schon ein Naturereignis braucht, um ihr eine Chance zu geben. Durchaus lesenswert.
8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne
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Waslala

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 10. Mai 2012

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