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Sophie Heeger: Mephistos Erben

Mephistos Erben

von Sophie Heeger
Verlag: S. Fischer [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Krimi
ISBN-13 978-3-10-087005-6

Preis: 19,99 Euro bei Amazon.de [Stand: 23. April 2024]
Lea Johannsen hat zusammen mit einem Kollegen eine Praxis als Psychiaterin in Mainz. Wenn im Winter depressive Verstimmungen Hochkonjunktur haben, sind Lea und Kollege Ulrich besonders gefragt. Der plötzliche Tod einer Patientin unter verdächtigen Umständen geht Lea sehr nahe. Der psychische Ausnahmezustand und die Wahnvorstellungen der Susanna van der Neer konnten noch keinem konkreten Krankheitsbild zugeordnet werden. Von Kommissar Franz Bender der Mainzer Kriminalpolizei wird Lea als Zeugin vernommen, weil der Bruder der Toten einen Selbstmord kategorisch ausschließt. Schon bald berichtet Bender der Psychaterin regelmäßig minutiös über den Stand der Ermittlungen, als gehöre Lea zu seinem Team. Nachdem ich mich eine Weile gefragt hatte, gegen welche Dienstvorschriften ein Ermittler wohl verstößt, der mit Täterwissen gegenüber einer Zeugin so großzügig umgeht, schiebt die Autorin einige Seiten später die Begründung nach. Bender hat Lea Johannsen formal zur Gutachterin erklärt und damit seine Schweigepflicht aufgehoben. Parallel zur Handlung entfaltet sich, typografisch abgesetzt, die Vorgeschichte der Susanna van der Neer, die an Tempo zulegt, bis sie mit der Handlung um Lea und die polizeilichen Ermittlungen zusammentrifft. Susanna war nach Aussage ihrer Brüder nicht für den Alltag geschaffen und lebte schon als Kind auf einem anderen Stern. Die leicht beeinflussbare Frau war offenbar, von persönlichen Schuldgefühlen belastet, einer Sekte in die Fänge geraten, die ihre Mitglieder gezielt nach ihrem Vermögen auswählt. Eine Sektenbeauftragte wird zu den Ermittlungen hinzugezogen. Schließlich ermittelt Lea spontan selbst und bringt sich damit in eine äußerst gefährliche Situation. Nach Details aus dem Familienalltag, die von der Handlung eher ablenken, nimmt der Krimi an diesem Punkt Fahrt auf. Als in Leas Person Naturwissenschaft auf esoterische Beutelschneiderei der Sekte trifft, wird deutlich, warum gerade Leas Blick als Medizinerin und ihre Rolle als Zeugin-Sachverständige-Betroffene entscheidend für die Auflösung des Falls sein wird.

Sophie Heeger mag Beschreibungen und bringt ihren Lesern die Landschaft am Rhein besonders nahe, die Lea beim Joggen und bei ihren Hundespaziergängen wahrnimmt. Die Autorin liebt beschreibende Adjektive und ausführliche Darstellungen von Symptomen, Diagnosen und phamazeutischen Wirkstoffen. Ihre Detailliebe erstreckt sich bis zur Münze für den Einkaufswagen, so dass das Verhältnis zwischen Krimihandlung und Privatleben der Psychaterin zeitweilig unausgewogen wirkt. Als Mutter von drei schulpflichtigen Kindern, deren Ehemann sich kaum an der Familienarbeit beteiligt, führt Lea das normalverrückte Dasein einer berufstätigen Mutter. Lea spricht und denkt in beinahe jeder Lebenssituation druckreif, selbst beim entspannten Zusammensein in der Kaffeepause oder bei gedanklichen Abschweifungen. Auch ihr Ehemann Sören steht ihr in seiner Schriftsprache kaum nach, wenn er "tendenziell eine Frage verneinen würde" (S. 253.) Selbst wenn ihr Gegenüber keinen Informationsbedarf hat, lässt Lea selten eine Gelegenheit zum Dozieren aus. Sie leistet sich selbst gegenüber der Lehrerin ihrer Tochter den peinlichen Auftritt, Allgemeinplätze über die Pubertät hervorzusprudeln. Das Übererklären so mancher Situation schränkt beim Lesen den Raum für eigene Beobachtungen ein und bremst die Handlung zu stark.
Fazit
Die Bezeichnung literarischer Krimi legt die Latte für das Buch sehr hoch. Kunst ist oft die Kunst des Weglassens. Als Leserin, der Bücher nicht dick genug sein können, füllt meiner Ansicht nach der vielversprechende Plot um eine Psychiaterin den entschieden zu langen Text erst in der zweiten Hälfte aus. Heegers Sprache, die beim Leser große Geduld gegenüber medizinischen Fachtermini voraussetzt, hat trotz des hohen sprachlichen Niveaus der Dialoge und einiger Schlagabtäusche mit Witz keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.
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Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 08. März 2012

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