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Aimee Bender: Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen

von Aimee Bender
Verlag: Berlin Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-8270-0986-9

Preis: 1,86 Euro bei Amazon.de [Stand: 28. März 2024]
Essen mit Gefühl

Eine besondere Gabe besitzt Rosie, Hauptfigur und Ich-Erzählerin des neuen Romans von Aimee Bender. Alles, was sie isst, all jenes, in dass sie hinein beisst, offeriert ihr nicht nur den entsprechenden Geschmack der Lebensmittel, sondern zugleich immer auch einen Anhauch eines Gefühls. Jenes Gefühl, dass der Ersteller der jeweiligen Speise bei der Zubereitung empfunden hat. Eine "Gefühlsesserin" somit ist diese Rosie.

Daher ist zunächst der etwas absonderliche Titel des Buches bereits gut erklärbar. Das Stück Zitronenkuchen, von der Mutter gebacken, das schmeckte nun einmal nach einem Hauch von Traurigkeit. Wie alle anderen Speisen je auch einen "Gefühlsinhalt" in sich tragen. Rasch lernt Rosie zuzuordnen und zu unterscheiden zwischen, Wut, Sorge, Traurigkeit, Ärger und allem anderen, was das menschliche Gefühlsspektrum zu bieten hat.

In bilderreicher Sprache legt Aimee Bender diese Geschichte um die vielen Gefühle vor. Angemessen bilderreich, denn die Welt der Emotionen lässt sich meist ja nur indirekt über Assoziationen, Gleichnisse und Bilder einigermaßen fassbar beschreiben. Emotionen sind es, die Menschen voneinander abstoßen und zueinander führen, insofern ist die besondere Gabe der jungen Frau der Gegenwart und des kleinen Mädchens in der Vergangenheit immer auch ein Kaleidoskop der Beziehungen zueinander im Buch.

Und wie mit jeder besonderen Gabe, die Umwelt tut sich schwer mit dieser Fähigkeit. So schwer, dass Rosie nach einer kurzen Weile darauf verzichtet, offenzulegen, was sie spürt und nachschmeckt. Nur mit dem besten Freund ihres Bruders intensiviert sie ihre Beziehung, ihn weiht sie beständig in ihr Ergehen ein. Im Gesamten aber ist diese Gabe lange Zeit eine Belastung für die heranwachsende Rosie. Denn am Geschmack des Essens immer zu wissen und damit emotional mit zu erleben, wie es den ihren gerade zu Mute ist (vor allem, wenn die Verhältnisse in der eigenen Familie nicht zum Besten gestellt sind), belastet viel mehr als dass es hilft.

Eine ganz außergewöhnliche Idee ist es, die Aimee Bender in ihrem Roman verarbeitet. Auch wenn das Motiv eines besonders begabten Kindes, dass aufgrund dieser Begabung gerade auch innerlich in Schwierigkeiten gerät, nicht neu ist. Die Idee dieser Art Mitteilung von Gefühlen ist durchaus originär. Da es zudem der Autorin in der Umsetzung der Geschichte gelingt, diese Emotionen spürbar in Worte zu fassen, gerät der Ausflug in das Leben der Rosie für den Leser ebenfalls zu einer emotionalen Angelegenheit.

Besonders deutlich wird dies an der Peron von Rosies Bruder. Kühl, distanziert, den Gefühlen gegenüber verschlossen. Aimee Bender lässt den Leser spüren, welchen Verlust es bedeutet, die Welt der Emotionen beständig zu leugnen, sich zu verschließen und aus Angst vor dem Verlust der Kontrolle sich dadurch auch die wesentlichen Elemente des Lebens zu versagen. So findet sich in Joseph, dem Bruder, der zweite Pol des Buches Zwischen Emotion und miterleben, Empathie und Kontrolle und sich verschließen mit einem letztlich dramatischen, in der Aussage eindeutigem Ausgang des Buches.
Fazit
Eine interessante Idee, sprachlich versiert umgesetzt und viel Emotion transportierend verweis Aimee Bender in ihrem Roman auf die Kraft der Emotionen, die Gefahren der Distanz und die Belastung durch zu viele Emotionen. In Teilen allerdings auch langatmig und nicht recht vorankommend in der Entwicklung vieler der Nebenfiguren verbleibt ein Wissen um die Bedeutung der Emotionen selbst für die kleinen Dinge des Lebens. Alles in allem eine schöne Lektüre mit einer außergewöhnlichen Grundidee.
6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 06. Juni 2011

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