Unsterblich schön
An manchen Orten wird es deutlich, in manchen Liedern, vorher kann man das gar
nicht so richtig sagen, schwingt es mit. Weltweit. Musik ist eine universale
Sprache. Manche Lieder gehen tatsächlich um die Welt und durch die Zeiten
hindurch. Weil sie etwas in sich tragen, das Menschen an den verschiedensten
Orten dieser Welt berührt und etwas zum Ausdruck bringt, in Worte fasst, für
das vorher die Worte fehlten.
Lili Marleen ist ein solches Lied. Untrennbar verbunden mit der Zeit des zweiten
Weltkrieges, obwohl Hans Leip die Verse bereits während des ersten Weltkrieges
dichtete, vertont wurde das Lied von Norbert Schultze in den ersten Jahren des
dritten Reiches.
Seinen Siegeszug durch die Welt aber begann das Lied erst mit der Interpretation
durch Lale Anderson 1938, zeitgenau mit dem Überfall Hitlers auf Polen.
Als "Spiegel seiner Epoche" überschritt das melancholische Lied der
Braut eines toten Soldaten alle Grenzen des Krieges und fand seinen Einzug auf
alle Seiten, die sich im erbitterten Kampf gegenüberstanden. Ebenso, wie das
Lied durch die Welt zog, veränderte es sich, entwickelte sich. Bei Marlene
Dietrich überlebte der Soldat, auf den Lili treu wartet, Lucie Mannheim
veränderte den Text zu einem Kampflied gegen Hitler.
Auch diese Entwicklungen sprechen von der universalen Kraft des Liedes, denn
Entwicklung ist immer das Kennzeichen des Lebendigen und Aktuellen, das aktuell
je von der Zeit neu gefunden, adaptiert und interpretiert wird.
Rosa Sala Rose, spanische Germanistin mit deutscher Mutter, macht sich in ihrem
Buch auf ebendiesen Weg des Lebendigen und geht dem Mythos der Lili Marleen auf
den Grund. Und Recht hat sie, wenn sie zu Beginn konstatiert, dass sich
"über das Leben dieses einfachen Liedchens eine gute Geschichte erzählen
lässt".
Mit überzeugendem, angemessenen und flüssigem Sprachstil erhellt sie auf ihrem
Weg die Hintergründe des Liedes, geht der Frage nach, wer die reale "Lili
Marleen" gewesen sein könnte, zeigt die mögliche Verbindung zu Lily
Freud, der Nichte Sigmunds auf und verharrt sodann ausführlich bei der
Betrachtung Lale Andersens. In erstaunlicher Parallelität zeigt sie sodann die
Metamorphose der Lieselotte Wilck zur Lale Anderson und die, mit dieser
Metamorphose beginnende, Verwandlung auch des Liedes auf. Wer weiß heute schon
noch, dass eine ganz andere musikalische Version des Liedes existiert?
Mit diesem Buch wird dies übrigens ebenfalls fassbar, denn zur Ausstattung
gehört eine CD mit den verschiedenen Varianten des Liedes. Unter den 11
Varianten findet sich auch die Melodie Rudolf Zinks.
Von diesen melodischen Veränderungen aus reicht der Weg des Liedes an die
russische Front und, durch Marlene Dietrich vor allem, in die Kampfverbände der
westlichen Alliierten hinein bis nach Las Vegas.
Informativ, gut recherchiert, mit vielen neuen Erkenntnissen versehen und dem
Mythos des Liedes gründlich, aber nie entzaubernd auf den Grund gehend,
versteht es Rosa Sala Rose, ein Stück musikalischer Weltgeschichte nahe zu
bringen. Und die Verwunderung bis zum Ende des Buches hoch zu halten, dass ein
solch einfaches Lied die innere Verfassung so vieler Menschen in
unterschiedlichsten kulturellen Prägungen auszudrücken vermochte.
Fazit
Die wirklich wesentlichen und berührenden Momente sind immer die ganz
einfachen, universal verstehbaren Worte und Melodien. Für diese berührenden
Momente ist das Buch ein wunderbarer Zeuge der Geschichte, dass den magischen
Moment des Liedes von Lili Marleen einfängt
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 24. Juni 2010 2010-06-24 14:56:28