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Qiu Xiaolong: Tod einer roten Heldin

Tod einer roten Heldin

von Qiu Xiaolong (Biografie)
Verlag: Paul Zsolnay Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Krimi
ISBN-13 978-3-552-05229-1

Preis: 23,50 Euro bei Amazon.de [Stand: 28. März 2024]
Ein Jahr nach den Ereignissen auf dem Tiananmen-Platz 1989 in Peking, wird in Shanghai an einer abgelegenen Stelle die Leiche einer jungen Frau gefunden. Guan Hongying - der Nachname steht im Chinesischen vorn, der Vorname bedeutet "rote Heldin" - war nach ihrem Urlaub nicht an ihren Arbeitsplatz im Kaufhaus zurückgekehrt. Mit den Ermittlungen werden Oberinspektor Chen Cao, sein Assistent Yu Guangming und der pensionierte Kader Kommissar Zhang beauftragt. Dieses Dreier-Gespann verkörpert die Widersprüche und Brüche der modernen chinesischen Gesellschaft.

Während alle anderen Jugendlichen unter Mao zur Landarbeit in entlegene Provinzen geschickt wurden, hatte Chen Englisch studiert. Er übersetzt in seiner Freizeit Kriminalromane ins Chinesische und veröffentlicht Gedichte. Aus politischen Gründen war er im diplomatischen Dienst unerwünscht. Chen sieht sich als romantischen Polizisten, der an Gerechtigkeit glaubt. Man fragt sich sofort, ob er seine Fähigkeit nicht anderswo nutzbringender einsetzen kann. Als alleinstehende Person hat der Oberinspektor zum Verdruss seiner Kollegen eine eigene Wohnung zugewiesen bekommen, während andere jahrelang in Wohnheimen für Berufstätige leben müssen.

Der junge Polizist Yu Guangming dagegen lebt mit Frau und Kind in einem 11 Quadratmeter großen Zimmer. Kader Zhang versteht nach Dengs Reformen die neue Welt nicht mehr, in der Bauernmädchen Computersprachen lernen und mit CDs handeln. Auch wenn er die jungen Kollegen bei der Arbeit eher behindert, muss er bei den Ermittlungen beschäftigt werden. Bald wird klar, dass Hongying, die Modellarbeiterin, ein Doppelleben geführt hat und Kontakte zu Bewohnern eines vornehmen Stadtviertels hatte. Ein "Prinzling", ein privilegiertes Kaderkind, muss in den Fall verwickelt sein. Die Ermittlungen werden als direkter Angriff auf die Partei gewertet. Die Disziplinarkommission der Polizeibehörde mischt sich ein, Chen kann bald keinen Schritt mehr unbeobachtet tun.

Der Leser hat sich bis zu diesem Punkt mehrfach gefragt, warum er immer wieder Exkursen in die chinesische Geschichte und die klassische Literatur folgen muss. Meisterhaft karikiert der Autor die chinesische Art der Kommunikation: Anstatt die Dinge direkt anzusprechen, werden zunächst Umwege eingeschlagen, man verbirgt sich hinter feinen Andeutungen und Symbolen. Die Kunst, winzige Nuancen wahrzunehmen und richtig zu deuten, wird für Chen lebenswichtig. Wird er rechtzeitig genug Beweise gesammelt haben, ehe er auf einen anderen Posten abgeschoben wird? Und was ist mit seinem persönlichen Netz aus Gefälligkeiten und Verpflichtungen?

Anhand der Lebensbedingungen der Ermittler und des Opfers beschreibt der Autor kenntnisreich und mit Liebe für Details das Alltagslebens einer chinesischen Großstadt, das es nach rasanten wirtschaftlichen Veränderungen so oft schon nicht mehr gibt. Auch Chens Studienort Peking und die Sonderwirtschaftszone Guangzhou werden beschrieben. Am Beispiel des alten Zhang verdeutlicht Qiu dem individualistischen, ungeduldigen Leser im Westen, dass es in China nur schleppend gesellschaftliche Veränderungen geben wird, solange wichtige Entscheidungen von "Berufs-Kadern" anstatt von qualifizierten Fachleuten getroffen werden. Die Freiheit einer einzelnen Person und ihr Anspruch auf Glück und Rechtssicherheit muss hinter den Interessen der Gemeinschaft (hier: der Partei) zurückstehen.

Die 2000 in New York unter dem Namen "Death of a Red Heroine" erschienene englische Ausgabe wurde mit dem Anthony Award für den besten Debüt-Roman ausgezeichnet.
Fazit
Ein auch für China-Kenner fesselnder Kriminalroman, der seine Leser und Leserinnen mit zunehmender Spannung bis zur letzten Seite mit Yu und Chen fiebern lässt.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne
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Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 15. Juni 2003

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