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Alexander Pschera: Bunter Staub. Ernst Jünger im Gegenlicht

Bunter Staub. Ernst Jünger im Gegenlicht

von Alexander Pschera
Verlag: Matthes & Seitz [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Philosophie
ISBN-13 978-3-88221-725-4

Preis: 19,80 Euro bei Amazon.de [Stand: 27. März 2024]
Gerade wo Menschen sich im Zuge der Leidvermeidung allem zu entziehen trachten, was Leid bedeuten könnte, treiben sie in ein Leben hinein, ein leeres Sein, in dem es nur noch das Gefühl der Sinnlosigkeit gibt, welches dem des Schmerzes in nichts nachsteht. Ernst Jünger lebte in diesem Sinne; er war sich der Bedeutung von Extremen bewußt, suchte Räume der Extreme auf, lotete sie aus, trieb mit ihnen mittels seiner Neugierde aus jeder Konvention heraus und fasste sie in literarische Formen. Er liebte das rauhe Element, bannte es auf Papier. Es war für ihn die literarische und gelebte Rückkehr zu sich selbst.

Eine neue Ordnung sollte wieder den Raum für menschliche Leidenschaften bieten, die Fülle des Lebens ermöglichen, eine Heimkehr des Menschen ermöglichen. Jünger betonte in seinem Werk immer wieder die Fülle des Lebens im unhemmbaren Willen der Bewegung auf ein Ziel. Es ist der z.B. blutsmäßige Zwang, der den Kämpfer vorwärts treibt über alle Hemmungen eines entwurzelten, ausgesogenen und tödlichen Intellektes. Es ist der Schmerz, der zu Ende gelebt werden muß und der hinter jedem Schematismus der Sicherheit aufscheint und lächelnd zuwinkt.

Ernst Jünger mag damit die Geister spalten. Das aber macht seine Faszination aus. Das vorliegende Buch "Bunter Staub" ist ein jüngersches Wörterbuch und ein Langessay in einem. Seine Beiträge unterschiedlichster Autoren unterziehen die wichtigsten weltanschaulichen Grundbegriffe Ernst Jüngers einer Relektüre, bieten Erklärungen und Hintergründe: Abenteuer - Inneres Erlebnis - Waldgang - Myrdun - Verlorener Posten - Désinvolture - Heiterkeit - Autorschaft - Schmerz - Rausch - Linie - Strahlungen - Überlegte Partie - Flugtraum - Arbeit - Technik und Spiel - Gläserne Bienen - Posaunisten - und andere. Der Schmerz als Kategorie bei Jünger scheint hier als Prüfpunkt auf, um dem Gejammer einer verbürgerlichten Gesellschaft zu entkommen, die ihre Erfüllung in hedonistischen Verstrickungen sieht und für den Ernstfall nicht mehr gewappnet ist. Das Ziel des Lebens scheint auf als ein Aushalten der immanenten Widersprüchlichkeiten, Immanenz und Transzendenz haben eine reife Konstellation erfahren. Die menschliche Existenz unterliegt den Achsen der Transzendenz, der Spiritualität des göttlichen Plans und der der körperlichen, naturhaften und existentiellen Materialität. Der Versuch, beide Achsen zur Deckung zu bringen führt zur Zerstörung der immanent-transzendenten Realität unseres Lebens, zur Aufhebung der sinnvollen Entspannung zwischen den beiden Achsen. Alle jene Gedanken fasst Jünger mit speziellen Grundbegriffen, die hier erläutert werden.

Ernst Jüngers Texte erscheinen hier in einer neuen Optik, sie werden in Gegenlicht getaucht und zum Tanzen gebracht. Bunter, glitzernder Staub: Rambo auf Waldgang - Schmerz und Rausch - Reisen in den Raum der Tiefe - Das universelle Theorie-Subjekt - Der alte Mann und das Meer. Zum Begriff "Abenteuer" schreibt der Jünger-Biograph Heimo Schwilk. Andere Autoren sehen Jünger einmal abseits von seiner politisch aufgeladenen Weimarer-Zeit, betrachten sein Werk als gelebtes Abenteuer und können die Verbannung in den Giftschrank nicht nachvollziehen. So erkennt der Leser in dieser Fülle bunter Bilder und Erläuterungen eine Art säkularer Theologie im Werke Jüngers, die uns zuruft, Heroismus und Désinvolture sowie das pure Erlebnis nicht unter dem warmen Geplänkel des Medialen und der totalen Verfügbarkeit einer müden Zeit nicht verkümmern zu lassen, sondern den letzten Rest von kämpferischer Echtheit zuzulassen, zu leben und als immer wieder neu dialektisch hervorgerufenen Erfahrungsraum im Leben anzuerkennen!
Fazit
Es liegt hiermit einer der originellsten Bänder über die Person Jüngers vor, eine geballte Einführung in seine literarische Konfigurationen voller Sprengkraft, die eine gebannte Lektüre verheißt!
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne
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Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 11. Januar 2009

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