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Jasper Fforde: Es ist was faul

Es ist was faul

von Jasper Fforde
Verlag: dtv [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Fantasy
ISBN-13 978-3-423-24568-5

Preis: 2,03 Euro bei Amazon.de [Stand: 19. April 2024]
Der drittgrösste Bösewicht der Welt ist Acheron Hades (wer sind Nr. 1 und 2 und wer entscheidet die Reihenfolge?), dessen Name allerdings nur hinter vorgehaltener Hand und sehr leise ausgesprochen werden sollte. Oder besser noch, gar nicht erst erwähnen. Er ist ein Genie darin, sich immer wieder neue Schurkereien einfallen zu lassen und dabei geht er sprichwörtlich über Leichen, die seinen Weg pflastern. Der Mann scheint hinter dem grandiosen Raub zu stehen, der das Originalmanuskript von Charles Dicklens, Martin Chuzzlewitt, entwendete. Alle Spuren, die gefunden wurden, deuten auf den scheinbar unsterblichen Hades. Natürlich macht man sich an die Arbeit, das gestohlene Gut wieder zu beschaffen. Die Lage der Nation ist kritisch, der Druck auf die Ermittler ist hoch, man erwartet eine schnelle Lösung. Dafür zuständig ist eine Special Operations Network. Denn den Menschen dieser Zeit und dieser Welt ist Literatur sehr wichtig. Die Betonung auf Zeit und Welt ist wichtig, wenn man daran denkt, dass die Engländer unter anderem auf der Krim gegen die zaristischen Russen einen über hundert Jahre währenden Krieg führen. In diesem Krieg fiel Thursday Next’ Bruder. Und der britische Grosskonzern Goliath (welch treffender Name) kocht da noch sein eigenes Süppchen. Aber dies scheint erst einmal nur so nebenbei erwähnt zu werden. Aber bald wird man feststellen, dass solche Nebensätze später wichtig werden. Es besteht eine Volksrepublik Wales, die ihre Unabhängigkeit erklärte und der Luftverkehr findet in der Regel mit Luftschiffen des Herrn Zeppelin statt. Zeitreisen kann man durchführen, Vampire und Werwölfe kennenlernen und anderes mehr. Daher wird schnell klar, dass wir uns mit diesem Buch in einer parallelen Welt befinden.
Normalerweise sind die LiteraturAgenten (welch nettes Wortspiel) der Special Operations 27 für die Aufklärung des Verbrechens zuständig. Die SO 27 soll eigentlich dafür sorgen, dass Literatur nicht gefälscht wird. In diesem Fall übernimmt jedoch die Abteilung Special Operations 9, die Terrorbekämpfung, die Aufklärung. Allerdings benötigen sie die Hilfe der Literaturagentin Thursday Next. Thursday Next ist eine ungewöhnliche Frau. Selbstbewusst, furchtlos und humorvoll. Sie ist eine Frau, wie sie jeder Mann gern kennenlernen würde. Thursday ist in der Lage, Hades zu erkennen, denn sie kennt ihn noch als ihren früheren Universitätsprofessor. Ausserdem entführte er ihren Onkel. Ihr Onkel erfand eine Maschine, mit der man in Bücher einsteigen kann und daher auch in der Lage ist, die Geschichte neu zu schreiben, zu verändern. Der Auftrag zur Festsetzung Acheron Hades geht allerdings schief. Hades kann entkommen, nicht ohne ihr eine schwere Verletzung in Form einer Schusswunde beizufügen. Kurz darauf wird ein Toter aufgefunden, der von seiner Kleidung her, aus dem Buch von Charles Dickens hätte entsprungen sein können. Aber die Entführungen gehen weiter. Plötzlich fehlt das Manuskript von Jane Eyre der Autorin Charlotte Bronté und die Hauptfigur wird als Geisel zu genommen. Dabei ändert Thurs, wie sie abgekürzt genannt wird, leichtfertig das Buch und so bekommt Jane Eyre plötzlich ein Happy End. Thurs geht mit aller ihr zur Verfügung stehenden Härte gegen ihren Gegner vor. Mutig und listenreich gelingt es ihr, das Abenteuer erfolgreich abzuschliessen. Nur um gleich darauf in das nächste Abenteuer zu schlittern. Die frisch verheiratete Thursday Next und werdende Mutter findet ein verschollenes Original des begnadeten Dichters William Shakespeare. Während die junge Ehefrau sich damit beschäftigt, sich in Jurisfiktion weiter zu bilden, wird sie zum erklärten Ziel verschiedenster Interessengruppen. Die Jurisfiktion operiert von der Grossen Bibliothek aus. Ihr Ziel ist es, ebenfalls zu verhindern, dass die Literatur Änderungen unterworfen wird. Die Grosse Bibliothek enthält von allen jemals erschienenen Büchern ein Exemplar und die Mitarbeiter rekrutieren sich aus den Handlungsträgern der Bücher, die dadurch ein eigenes Interesse daran besitzen, nicht aus einem Buch "herausgeschrieben" zu werden. Thursdays eigener Arbeitgeber vertraut ihr nicht mehr, der Konzern Goliath, der überall im Land seine eigenen Interessen vertritt ist hinter ihr her und zu guter Letzt werden Mordanschläge auf sie verübt. Das schlimmste ist jedoch, dass ihr Ehemann genichtet wird. Landen Park-Lane ist Schriftsteller und als solcher erfolgreich. Das heisst, mittels einer Zeitreise wird ihr Ehegatte bereits als Kleinkind aus dem Leben genommen, indem man es ertrinken lässt. Seither ist Thursday Next die einzige, die noch eine Erinnerung an Landen Park-Lane besitzt. Der Grund dafür liegt darin begründet, dass die Goliath Corporation Thursday erpressen will, den in Edgar Allen Poes Buch DER RABE im Gefängnis einsitzenden Jack Schitt zu befreien. Sie lässt sich nicht darauf ein. Neben der Hatz auf die Literaturagentin, unter anderem durch die Chronogarde, droht ihr auch noch ein Gerichtsverfahren, dass in einem Roman von Franz Kafka spielt.
Der Aufenthaltsort der noch nicht geschriebenen Romane ist der Brunnen der Manuscripte. Der Brunnen besitzt sechsundzwanzig Stockwerke. Der Brunnen ist der Ort, an dem jedes unveröffentlichte Werk zu finden ist. Von kommenden Bestsellern bis hin zu dilettantischen Schmierereien, die hier auch entsorgt werden können. Für die Entsorgung ist der Gattungsrat zuständig, der letztlich entscheidet, ob oder ob nicht, das Werk ganz der Vergessenheit anheim fällt. Dort liegen die Vorlagen und die Autoren sind der irrigen Meinung, sie würden die Texte schreiben. Statt dessen sind dort Plotschmiede und Stimmungsmacher dabei, eine Handlung zu erfinden. Lochflicker, Echofinder und Orthografieprüfer sorgen sich um die Lesbarkeit des Werkes, Handlungsträger und Romanfiguren finden sich ein, dem Werk Leben einzuhauchen. Aber es gibt auch negative Figuren und Parasiten, die sich dort zu schaffen machen. Am Ende gelingt es unserer Heldin die Welt zu retten und den Attentätern durch ein Figurenaustauschprogramm zu entkommen. Sie flieht in einen Kriminalroman um dort darauf zu warten, dass er veröffentlicht wird. Die Zeit will sie nutzen, um in einem zum Hausboot umfunktionierten Flugboot zu wohnen und Ruhe in die Schwangerschaft zu bringen. Mit ihrem Studium der Jurisfiktion will sie sich weiterbilden. Und mit Hilfe der Jurisfiktion-Agentin Havisham bereitet sie sich auf die grosse Dienstprüfung vor. Dabei lernt Thursday Next die für sie überraschenden Vorgänge kennen, die zur Entstehung von Literatur führen. Da wird auch klar, warum es wichtig sein könnte, auf Godot zu warten. In diesem eher langweiligen Krimi, in der Persönlichkeit einer unbedeutenden Figur, scheint sie die nötige Ruhe zu finden. Trotz der Unterstützung ihrer Grossmutter gerät sie in die Situation, von den anderen vergessen zu werden.
Doch das Leben im Brunnen ist nicht ungefährlich. Thurs trifft auf eine wilde Gruppe von Grammasiten. Sie trifft auf Martin, der nichts anderes vorzuhaben scheint, als sich mit ihr sexuell zu vergnügen und eine Sitzung der Therapiegruppe zur Verminderung der Wut in wuthering Heights gerät zum Desaster.
Thursday Next trifft hier auf Aornis Hades, die Schwester des verstorbenen Acheron Hades, den wir bereits kennen lernten. Aornis hat sich in ihren Kopf gesetzt, den Tod ihres Bruders zu rächen, was zu einer abenteuerlichen Handlung führt. Ein Mittel ist die durchgeführte Gedächtnismanipulation bei Thurs. Thurs wird immer mehr in die Situation getrieben, vergessen zu werden. Aber unsere Heldin wäre nicht Heldin, wenn sie sich dadurch beeinträchtigen liesse. Letztlich muss sie die Welt wieder einmal retten. Währenddessen zettelt Aornis mit einem neuen System, genannt UltraWordTM, eine Verschwörung an. Hinter allem steckt jedoch ein Konzern namens TextGrandCentral. Ähnlich ebooks soll es nur noch möglich sein, mit diesem System Bücher zu lesen. Der Konzern hofft, damit ein Weg zu finden, die Aussenwelt zu kontrollieren. Und nicht zuletzt will der Konzern damit der Belletristik zum Sieg über Sach- und Fachbücher verhelfen. IM BRUNNEN DER MANUSCRIPTE erzählt nicht nur die Abenteuer in der Buchwelt. Gleichzeitig ist diese Erzählung die kritischste zum Thema Technologie, deren Gefahren und deren Unwägbarkeiten.
Kaum ist Thursday Next mit ihrem inzwischen zweijährigen Sohn Friday zurück in der richtigen Welt des Jahres 1988 und ihrer Heimatstadt Swindon, stellen sich ihr erneut Probleme in den Weg. Der Emporkömmling und Staatskanzler Yorrick Kane will sich zum uneingeschränkten Herrscher über England ernennen. Seine diktatorischen Anwandlungen will er mit einer Gehirnwäschemaschine der Goliath Corporation durchführen. Yorrick ist eine Figur aus einer Zeitung, hat sehr viele Vorbehalte gegen die Dänen und ist gegen sie äusserst rassistisch eingestellt. Dem zukünftigen Diktator steht Thursday entgegen, die die Hilfe des Dänenkönigs Hamlet in Anspruch nimmt. Aber das ist nicht ihr einziges Problem. Denn sie hat es immer noch nicht geschafft, ihren genichteten Ehemann Landen Park-Lane zum Leben zu erwecken.
Um alles auf die Reihe zu bekommen und letztlich wieder die Welt zu retten, muss nur eines geschehen. Der Krokett-Club von Swindon muss den SuperHoop gewinnen. So lautet zumindest die siebente Weissagung des mittelalterlichen Propheten St. Zvlxk. Da der kleine Verein keine Chance zu einem Sieg sieht, wird Thursday Next zur Team-Managerin. Als solche sichert sie sich die Hilfe von gezüchteten Neandertalern.
Fazit
Die Welt des Jasper Ffordes ist etwas ganz besonderes. Die von mir getroffene Aussage kam in den oben genannten Texten bereits mehrmals um Tragen. Es ist die Zeit in der Mitte bis Ende der 1980er Jahre einer parallel verlaufenden Geschichte. Der Verkehr wird mit Zeppelinen durchgeführt, es gibt interkontinentale Röhrenverbindungen nach New York und Tokio, oder von London nach Sydney, wo man in weniger als einer Stunde mittels der Gravitube den nächsten Kontinent erreicht, über die der Fernverkehr abgehalten wird. Es gibt riesige Konzerne, die wie in der richtigen Welt meinen, ausserhalb der Gesetzgebung zu stehen. Politik und Wissenschaft haben erheblichen Einfluss auf das Leben der Bürger, die unbesonnen mit Menschenleben spielen, als seien es Puppen. Zudem ist die Wissenschaft in der Lage, Neandertaler, ausgestorbene Tiere und andere zu Klonen. England, im Krimkrieg gegen ein zaristisches Russland unterlegen muss eine englische Kleinstadt als Reparaturleistung abgeben, Wales ist eine unabhängige sozialistische Volksrepublik. Man müsste es den heute lebenden Engländern mal sagen. Mal sehen, was sie davon halten, ist doch gerade der Prinz von Wales traditionsgemäss der Thronfolger.
Die vier Bücher, eine Art Fantasy-Krimi, gehören zu denen, die man nicht so schnell vergisst. Wenn man die Bücher selbst gelesen hat, kann man jedoch ganz ungezwungen all das vergessen, was die Werbung auf Buchrücken schreibt, oder was grosse Zeitungen, Spezialzeitschriften etc. ziemlich ungefiltert von sich geben. Hier müsste man LiteraturAgent sein und eingreifen können. In den wenigsten Fällen hat es auch nur Ähnlichkeit mit dem verglichenen Buch. Ich habe zum Beispiel kein Verständnis dafür, wenn man Jasper Ffordes Bücher mit Eric Blairs 1984 vergleicht, denn der dort geschilderte Überwachungsstaat hat nichts mit den Büchern um die Heldin Thursday Next gemein. Lewis Caroll schrieb eher märchenhafte Literatur und Douglas Adams ist ein Satiriker, der in den meisten Fällen nicht verstanden wurde. A pro po verstanden. Den beiden Übersetzern Lorenz und Joachim Stern sei hier einmal ein grosser Dank ausgedrückt. Ich bin sicher, dass die englischen Witze und Anspielungen im Original besser ankommen und es schwierig war, entsprechende Floskeln im Deutschen zu finden. In diesen vier vorliegenden abwechslungsreichen Büchern gibt es jede Menge Anspielungen auf die englische Literatur, seien es Charlotte Bronté, Charles Dickens und andere mehr. Dass die vier Bücher trotzdem locker leicht zu lesen waren, ist nur diesen beiden Männern zu verdanken.
Es ist nicht nötig, all die Bücher gelesen zu haben, die in den Büchern um Thurs genannt werden. Eine gute Allgemeinbildung reicht aus, um sie zu verstehen. Die einzige Einschränkung die ich mache, die Bücher sollten unbedingt in ihrer Reihenfolge gelesen werden. Der Autor hat zwar jedes Buch für sich abgeschlossen geschrieben, trotzdem gibt es buchübergreifende Handlungsstränge, die erst im kausalen Zusammenhang wirken.
Obwohl die Bücher eindeutig der Unterhaltung zuzuordnen sind, lässt Jasper Fforde keine Gelegenheit aus, fundierte Gesellschaftskritik zu üben, die die Leserinnen und Leser durchaus nachdenklich stimmt. Dabei begann es mit der allgemeinen Verulkung der britischen Klassiker. Gerade IM BRUNNEN DER MANUSCRIPTE ist besonders Technologiekritisch. Obwohl gerade dieses Buch nur in der fiktiven Welt der Bücher spielt, ist die kritische Haltung besonders ausgeprägt. Ähnlich kritisch sieht Jasper Fforde auch die Konzerne. Aus dem Goliath Konzern soll eine Religionsgemeinschaft werden und Jasper zieht hier Vergleiche zum Scientology Konzern, der als Kirche anerkannt werden will, auch wenn er es nicht direkt sagt. Auch die Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Religionsfreiheit sowie der Umweltschutz sind Themen, die er immer wieder anspricht.
Jasper Fforde besitzt einen wundervollen Internetauftritt. Die Seite bietet jede Menge Artikel die sich mit der Welt von Thursday Next beschäftigen. Dort werden viele Anspielungen gerade für Nicht-Briten erklärt. Dazu kommen kleinere Spezialitäten in Wort und Bild. Es lohnt sich dort einmal umsehen, oder auch auf der deutschen Seite.
7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne
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Vorgeschlagen von erik schreiber [Profil]
veröffentlicht am 09. Mai 2008

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