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Eric-Emmanuel Schmitt: Die Schule der Egoisten

Die Schule der Egoisten

von Eric-Emmanuel Schmitt
Verlag: Ammann Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: historischer Roman
ISBN-13 978-3-250-60061-9

Preis: 1,98 Euro bei Amazon.de [Stand: 23. April 2024]
In seinem Debüt-Roman erzählt Eric-Emmanuel Schmitt die Geschichte eines Mannes, der im Frankreich des 18. Jahrhunderts das Gesprächsthema der feinen Pariser Gesellschaft war. Gaspard Languenhaert, ein außergewöhnlicher Philosoph, der sich selbst als Ursprung allen Lebens sah, eröffnete die Schule der Egoisten. Nach seinen Ansichten existiere alles auf dieser Welt in seiner Vorstellung, und schlicht aus diesem Grunde sei er der Mittelpunkt und Ursprung allen Lebens.

Der Leser begegnet Gaspard Languenheart nicht direkt, sondern lernt langsam die Lehren des "großen" und gänzlich unbekannten Philosophen durch die Recherche eines Philosophie-Doktoranden der heutigen Zeit kennen. Dieser Doktorand, der gleichzeitig unser Protagonist ist, entschließt sich zu einem Moment der Ruhe während seiner Studien, um ein Buch "nur zum Spaß" zu lesen. Er zieht wahllos ein Exemplar aus dem Register und schlägt es auf. Die aufgeschlagene Seite 96 des 'Dictionaire patriotique' zeigt einen Eintrag über den Egoismus als philosophischen Begriff, in dem der Name Gaspard Languenheart und die Erwähnung seiner Schule der Egoisten steht.

Aus Neugier entschließt sich der Doktorand, der soeben gefundenen Spur weiter zu folgen und erkennt, je tiefer und gründlicher seine Nachforschungen werden, mehr und mehr Faszinierendes über Gaspard und schließlich über sich selbst. Dabei drehen sich die Recherchen immer wieder um folgende philosophische Grundaussage, deren Kontext schon immer die Gemüter erhitzte: "...ob ich mich nun bis zum Himmel emporschwinge oder in die allerunterirdischsten Gegenden hinabsteige, so gehe ich doch nie aus mir selbst heraus, und nie nehme ich etwas anderes wahr als meinen eigenen Gedanken." Wahrlich, für die Philosophie ein großer Schritt des Denkens - beginnend bei Descartes, verlaufend über Kant und seine methodische Untermauerung dieser Ansicht in der "Kopernikanischen Wende" und schließlich zugespitzt im transzendentalen Idealismus Fichtes.

Eric-Emmanuel Schmitt gelingt es, den Leser bereits auf den ersten Seiten für das Mysterium des Gaspard Languenheart und dessen philosophische Ansichten zu gewinnen. In einer für Schmitt typischen Art zieht er seine Leser mit einer Leichtigkeit in die Geschichte hinein, so daß dieser schon nach kurzer Zeit gewillt sind, selbst zu recherchieren, um zu erfahren, wer dieser Gaspard Languenheart wirklich war, und ob er überhaupt existierte. Schließlich findet sich der Doktorand selbst in der Rolle des Biographen von Languenheart wieder, was darauf schließen läßt, daß auch die Recherchen des Doktoranden über das Objekt seines Interesses schon vorher immer wieder nur anhand sekundärer Aufzeichnungen anderer verliefen. In jedem von uns - einschließlich des Lesers - scheint damit das Potential und der der Mythos "Languenheart" auf, die Fähigkeit, als Schöpfer der eigenen Welt dazustehen und überzeugt zu sein, durch Selbstauslöschung auch die ganze Welt verschwinden zu lassen: "Ich halte die Macht in meinen Händen. Das Nichts! Die Zerstörung! Die Lösung! Das Ende!"

Leider schafft es Schmitt nicht, diese Dynamik über die gesamte Länge seines Buches zu strecken. Ihm geht vielmehr, je weiter die Geschichte des Doktoranden fortschreitet, die erzählerische Luft aus, so daß es den Anschein hat, als rette sich Schmitt in das Ende seines Romans hinein. Am Ende - dennoch - ein glänzender Höhepunkt: Languenheart (oder der Doktorand in seiner Erzählung) schreitet zur Tat, zur Konsequenz aus seiner Überzeugung: "Ich werde wie ein Nichts sein, aber ich werde alles sein."

Die Schule der Egoisten ist für jeden, der sich für den egoistischen Gedanken in der Philosophie interessiert, für die Selbstschöpfung der Welt als Modalität des eigenen Vorstellungsvermögens, wärmstens zu empfehlen, vor allem weil der Autor die Bedeutung eines solchen Gedankens glänzend und zugleich tragisch zu beschreiben vermag: Bringe ich mich um, lösche ich damit mich selbst aus und die Welt besteht fort oder lösche ich damit zugleich die Welt aus, die ja nur da ist, weil ich in sie hineingeboren wurde und andernfalls niemals denkbar war, da ja auch ich, der Denkende, nicht war. Möge jeder Leser hierauf nach vollendeter Lektüre seine eigene Entscheidung treffen. Aber es sei darauf hingewiesen: Mit "Richtig" und "Falsch" wird unsere Antwort niemals bewertet werden können.
Fazit
Dieses Buch kann zum positiven Verhängnis für das eigene Denken werden.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne
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Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 13. November 2007

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