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Jakob Hein: Herr Jensen steigt aus

Herr Jensen steigt aus

von Jakob Hein
Verlag: Piper Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-492-04857-6

Preis: 16,49 Euro bei Amazon.de [Stand: 27. März 2024]
Ein eindrucksvolles Bändchen - Roman oder Novelle - ist Jakob Hein hier gelungen. Beschrieben wird das Psychogramm eines Außenseiters, der niemals dauerhafte Kontakte zu Mitmenschen knüpfen konnte. Eines Tages wird er bei seiner Arbeitsstelle, der Post, entlassen. Kapitel für Kapitel wird nun beschrieben, wie die Arbeitslosigkeit Herrn Jensen verändert und letztlich in den Wahnsinn treibt; er bemüht sich lange, sinnvolle Beschäftigungen zu finden, um die Leere der Tage auszufüllen und vereinsamt immer mehr. Doch gleichzeitig gewöhnt er sich an diese Einsamkeit, er weicht Mitmenschen und Freunden aus. Qualifikationsmaßnahmen beim Arbeitsamt durchläuft er nur pro-forma, die Ausbilder sind selber desinteressiert und stellen den Arbeitssuchenden lediglich Bescheinigungen an Kursteilnahmen aus, ohne an einem echten Vermittlungserfolg durch die angebotenen Kurse interessiert zu sein. Die Sachbearbeiterin am Arbeitsamt gilt als unfreundlich und will den unbequemen Herrn Jensen wieder lossein. Dieser verkriecht sich immer weiter in seine eigene Fantasiewelt, sodass er frühere Freunde und Kollegen verstört. Als er bei seinem früheren Arbeitgeber schließlich erneut eine Stelle antreten soll, lehnt Herr Jensen entrüstet ab; er hat sich eingeigelt und den Anschluss an seine Welt verloren; der einzige Kontakt zur Außenwelt, der Briefkasten, wird auch abmontiert.

Camus`Buch: "Der Fremde", der Film: "Das weiße Rauschen" mit Daniel Brühl (der Begriff wird in dem Roman mehrfach zitiert), ja möglicherweise die Werke des Schweizer Autors Peter Stamm (Agnes, Blitzeis etc.) mögen Pate gestanden haben für diese Beschreibung von Außenseitern, die nicht mehr in die reale Welt zurückfinden.

Mich hat das Buch sehr an die Werke Kafkas erinnert, vor allem an "Die Verwandlung"; auch Herr Jensen verwandelt sich; zwar nicht in einen Käfer, aber in einen gebrochenen Menschen, den die Arbeitslosigkeit krank macht.
Fazit
Das Buch - knapp 135 Seiten kurz - ist nicht frei von Klischées, jedoch zeigt Jakob Hein, selber Arzt, starke Beobachtungskraft und kann sich in seine Patienten (zu dem Herr Jensen am Ende wird) hineinfühlen. Macht die Anonymität unserer Massengesellschaft, die Vereinzelung des Mitmenschen, letztlich krank? Es sind diese existentiellen Fragen, die das Werk - für mich interessant machen. Für mich gehört das Buch zu den eindrucksvollsten Werken, die ich 2006 gelesen habe. Egal, was man davon hält: es packt und lässt nicht mehr los. Und dies ist für mich daher gute und faszinierende Literatur. Unbedingt lesenswert.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 14. Dezember 2006

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