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Hans Mommsen: Auschwitz, 17. Juli 1942

Auschwitz, 17. Juli 1942

von Hans Mommsen
Verlag: dtv [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-423-30605-8

Preis: 3,00 Euro bei Amazon.de [Stand: 24. April 2024]
Hans Mommsen gehört zu den bekanntesten Forschern über die neuere deutsche Geschichte, was seine zahlreichen Bücher und Aufsätze über die Weimarer Republik und zum Dritten Reich belegen. Auf 235 Seiten legt er eine eindrucksvolle Bilanz des Holocaust vor, wobei er auch auf die Ursachen des Antisemitismus in Deutschland vom Kaiserreich bis zur Machtergreifung Hitlers eingeht und sämtliche relevante deutsche und angelsächsische Forschungsliteratur berücksichtigt.

Mommsen untersucht zunächst die Rolle des Antisemitismus in der Weimarer Republik und seine Rolle beim Aufstieg der NSDAP. Hier bilanziert er - zutreffend, dass sich das generelle politische Klima insbesondere der späten Weimarer Republik gegen das deutsche Judentum zu wenden begann und die ursprünglich im Bürgertum vorherrschende liberale und tolerante Einstellung gegenüber dem Judentum verkehrte und verdrängte (S. 24/25). Insbesondere die Durchdringung weiter Bereiche der öffentlichen Meinung mit antisemitischen Ressentiments bildete den Hintergrund für die Tolerierung der NSDAP durch ihre konservativen Partner, wobei Mommsen zutreffend bilanziert, dass der Antisemitismus der NSDAP nach 1930 keine neuen Wähler brachte, so dass dieser Aspekt in den entscheidenden Wahlkämpfen nach 1930 eher hinuntergespielt wurde, um keine potentiellen neuen Wähler zu verschrecken. Dennoch war - insbesondere in den politischen Eliten - die Feindschaft gegen Juden so stark ausgeprägt, dass die Haltung in der "Judenfrage" als Indikator für den Verlust der moralischen Grundlagen dieser Eliten betrachtet werden kann. Obwohl auch die Mehrheit der Parteimitglieder - wie in Kapitel 2 gezeigt wird - nicht zur Gruppe der "Radikalen" und damit zu den gewalttägigen und paranoiden Judengegnern gehörten (S. 29), konnten diese sich durchsetzen, zumal die antisemitische Propaganda Feindbilder schuf und somit von akuten sozioökonomischen Problemen ablenken konnte und außerdem keine etablierten gesellschaftlichen Interessen damit berührt worden sind. (S. 34-36). Stets fungierte Hitler als der ideologische Motor in der "Judenfrage", wobei er in der praktischen Umsetzung der anti-jüdischen Maßnahmen aufgrund taktischer Überlegungen mit Rücksicht auf die Schonung seines persönlichen Prestiges durchaus instinktiv flexibel reagieren konnte, wie Mommsen überzeugend nachweist. Für Hitler stand der Propaganda-Effekt und damit die Funktion eines ideologisch geprägten Feindbildes im Vordergrund seiner Überlegungen zur Judenfrage. Nichtsdestotrotz radikalisierte sich das Regime, wie in den folgenden Kapiteln (Entstehung der "Nürnberger Gesetze", Ausschaltung der Juden aus der deutschen Wirtschaft, Reichs"kristall"-nacht 1938) ebenso gezeigt wird wie der Übergang zur physischen Vernichtung (Umsiedlungspolitik und Vision einer territorialen "Lösung der Judenfrage" im zweiten Weltkrieg, der "Rassenvernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und die Mordaktionen von SD und Sicherheitspolizei, die in der Vernichtung von 5,3 bis 6,1 Millionen Opfern gipfelte, der erschreckenden Bilanz des Genozids)eindringlich und erschreckend in Anschluss an die bahnbrechenden Forschungen von Götz Aly, Wolfgang Benz, Christopher Browning, Saul Friedländer, Peter Longerich, Dieter Pohl und Thomas Sandkühler aufgezeigt wird.
Fazit
Neben der relativ kurzen und knappen Darstellung "Warum Ausschwitz?" von Gunnar Heinsohn sowie den Publikationen von Wolfgang Benz und Dieter Pohl zum "Holocaust" die beste Einführung zum Thema.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 30. März 2006

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