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Frank Beuster: Die Jungen-Katastrophe. Das überforderte Geschlecht

Die Jungen-Katastrophe. Das überforderte Geschlecht

von Frank Beuster
Verlag: Rowohlt Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-499-61997-7

Preis: 4,98 Euro bei Amazon.de [Stand: 16. April 2024]
"Achte auf deine Gedanken..." mit dieser Weisheit aus dem Talmud führt Frank Beuster - Vater von zwei Söhnen, Lehrer, Vertrauenslehrer und Seminarleiter - in sein Thema ein und kommt im Verlauf des Buches immer wieder darauf zurück. Anschauliche Beispiele aus der Praxis illustrieren die Lebensbedingungen männlicher schulpflichtiger Deutscher.

Die nackten Fakten: 20% aller Mütter erziehen allein, 80% der Kinder, für die Erziehungsberatung gesucht wird, sind männlich, 50% aller Männer unter 24% leben noch bei den Eltern. Vielen Jugendlichen bietet eine verstädterte Umgebung keine Erfahrungsräume mehr, in denen Grenzen ausgetestet werden können. Beuster sieht sich in seiner Familie wie bei seinen Lesern als Dolmetscher zwischen der Mama-Taubheit von Söhnen und der "empfindlichen" Reaktion von Müttern und Lehrerinnen darauf. Der Autor beschreibt die bis zur Hausmeisterin komplett weibliche Umwelt, die vieles im Leben eines Jungen nicht nachvollziehen kann und offen ablehnt. Mädchen sind der Maßstab, an dem Jungen gemessen werden. Die Anforderungen erweisen sich in allen Bereichen als zu hoch. Mädchen werden für Lesekompetenz, feinmotorisches Geschick und soziales Verhalten gelobt. Überforderte Jungen stören und werden bestraft. Gelegenheit, körperlich zu arbeiten und grobmotorische Fertigkeiten zu trainieren - wie Traktorfahren auf dem elterlichen Hof - haben nur wenige; andere Beschäftigungen, die ihr Selbstbewusstsein stärken könnten, ebenso wenige. Ausführlich kritisiert der Autor den Rückzug Jugendlicher in virtuelle Welten und beisst sich dabei an Lehrer-typischen Feindbildern fest: Computerspiele, Trading Cards und Klamotten. Vom Chaos in der Schultasche schließt er auf Chaos im Kopf und die Unfähigkeit zu organisiertem Lernen.

Auf die Überlegenheit der Mädchen und die Forderungen ihrer Lehrerinnen reagieren männliche Schüler zuerst mit Auffallen, später mit Aussteigen oder Gewalt. Kurzfristig mag Leistungsverweigerung schick sein, doch immer mehr Jungen finden aus der Rolle des Outlaws nicht mehr rechtzeitig zurück, um noch Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Schülerinnen lehnen gemischte Arbeitsgruppen ab, in denen die Mädchen arbeiten und die Jungen Unfug treiben. Erwachsene Frauen wünschen weder Stimmungstöter, die im Kino mit pseudo-coolen Sprüchen nerven, noch phlegmatische Partner im Alltag. In der täglichen Erziehung sind es hauptsächlich Frauen, die Macho-Allüren im Zaum halten und Konflikte in Schule und Freizeit lösen sollen. Sie haben es dabei mit Gesprächpartnern zu tun, die Kritik grundsätzlich nicht akzeptieren, sich für besser als andere Menschen halten und den eigenen Anteil an Konflikten nicht wahrnehmen können ("Das bisschen Treten ist doch nicht schlimm"). Beuster bietet als Ausweg aus der Misere einen "Vitamin B3-Komplex" (Bewegung, Beziehung, Bewusstsein) und sein "Drei-R-Geheim-Rezept" (Regeln, Rhythmen, Rituale) an.

Deutsche Bildungspolitiker scheinen die männlichen Defizite bisher vollständig ignoriert zu haben. Sie werden erst durch Gewalt und Straftaten an Schulen aufmerksam. Die Fakten liegen vor, jetzt müssen Eltern, Schule und Politik aufhören, den Schwarzen Peter zwischen sich hin und her zu schieben.
Fazit
Dem gut recherchierten und lesenswerten Buch wünsche ich, dass es bei Elternabenden in jedem Kindergarten und jeder Schule diskutiert wird.
8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne

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Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 03. Februar 2006

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